Die neue Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe will die Sammlungen neu präsentieren, plant aber auch spektakuläre Ausstellungen.

Museumswelt:

Frau Schulze, Sie waren am Städelschen Kunstinstitut für Malerei zuständig. Werden Ihnen die Bilder jetzt nicht fehlen?

Sabine Schulze:

Ich habe zwölf Jahre das Glück gehabt, eine qualitätvolle und dichte Gemälde-Sammlung interpretieren und immer wieder neu präsentieren zu können. Jetzt habe ich mir ganz bewusst gesagt, dass ich etwas Neues machen und für mich entdecken möchte, denn die Kunstgeschichte ist ein weites Feld. Ich liebe Malerei, aber an den Objekten des Museums für Kunst und Gewerbe fasziniert mich besonders ihre Handgreiflichkeit und auch die Nähe zum Alltag, Ich schätze die Sinnlichkeit, die nicht alleineh auf den Intellekt zielt.


Daher werde ich die Bilder sicher nicht vermissen.


Museumswelt:

Das Augenmerk des Publikums ist auf spektakuläre Sonderausstellungen gerichtet. Welche Bedeutung messen Sie den ständigen Ausstellungen, die oft nur wenige Besucher haben, bei?

Schulze:

Die ständigen Sammlungen sind besonders wichtig, denn sie stellen ja den eigentlichen Reichtum des Hauses. Ich kenne das Museum für Kunst und Gewerbe zwar schon seit meiner Jugend- und Studienzeit, weiß aber erst seit einem reichlichen Vierteljahr, dass ich Verantwortung für dieses Haus übernehmen darf. Jetzt muss ich es erst einmal selbst richtig kennenlernen. Dieses Museum wird seit vielen Jahren durch die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen erheblich in Mitleidenschaft gezogen: Die Hälfte der Räume sind geschlossen, Teile der Sammlung verpackt. Wir werden diese Dinge erst nach und nach wieder auspacken und neu präsentieren können. Das möchte ich dann mit den Kollegen gemeinsam tun. Mir schwebt eine Reihe von temporären Ausstellungen vor, die ich jetzt erst einmal unter den englischen Arbeitstitel "Rediscovered" stelle, ohne zu behaupten, dass sie zuvor völlig vergessen gewesen wären. Mit geht es sehr darum, die unglaublichen Schätze dieser Sammlung ins rechte Licht zu rücken und das Hamburger Publikum dafür zu begeistern. Die Sammlung ist die Basis eines solchen Hauses. Nur dadurch haben wir als Museum eine Existenzberechtigung.



Museumswelt:

Haben die klassischen Museen denn eine Zukunft?

Schulze:

Ich bin voller Zutrauen, dass diese Institution auch in Zukunft nicht untergehen wird, vor allem aufgrund der enormen Substanz, die hier vorhanden ist. Allerdings müssen die Werke von jeder Generation wieder neu entdeckt und für jede Generation neu interpretiert und erklärt werden. Das ist eine Aufgabe, der sich jeder neue Direktor als Erstes zu stellen hat.



Museumswelt:

Was sind für Sie die besonderen Stärken des Museums für Kunst und Gewerbe?

Schulze:

Das Städel-Museum, in dem ich zuletzt gearbeitet habe, bietet nur Malerei und "nur" für einen Zeitraum von gerade mal 1000 Jahren. Hier dagegen haben wir enorm vielfältige Sammlungen, die von der klassischen Antike und von Ägypten bis in die unmittelbare Gegenwart reichen. Hier sind verschiedene Kontinente, Kulturkreise und Religionen vertreten. Das ist ein Universum, das in der Bezeichnung Kunst und Gewerbe nur unzureichend zum Ausdruck kommt. Ostasien, Griechenland oder auch die Plakate und die Musikinstrumente sind so große Sammlungen, dass man sie separat sogar als eigene Museen führen könnte.



Museumswelt:

Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Bestände ist durch Sammler und Mäzene ist Haus gekommen. Sammler haben aber andere Präferenzen als Wissenschaftler. Wie geht man damit um?

Schulze:

Privatsammler haben mit gutem Recht einen anderen Sammlungsbegriff als Museen. Während Museen das exemplarische Einzelstück mit Bezügen zu anderen Teilen der Sammlung bevorzugen, dürfen sich Sammler auf das konzentrieren, was sie persönlich am meisten anspricht. Solche Konvolute in ein Museum zu integrieren ist eine hohe Kunst. Wir müssen in solchen Fällen immer darauf achten, dass sich die Exponate in den vorhandenen Bestand sinnvoll einfügen und sie nicht dominieren. Die einzelnen Sammlungskomplexe dürfen nicht nur ein buntes Kaleidoskop ergeben, sondern müssen sich zu einem systematischen Bild zusammenfügen.



Museumswelt:

Welche Bedeutung messen Sie den Interessen der Besucher bei?

Schulze:

Es geht mir nicht um Events, die durch Marketing hochgepuscht sind, sondern um eine Zwiesprache mit dem Besucher. Es gibt in den Museen durchaus eine Abstimmung mit den Füßen, die uns zeigt, wo die Interessen der Besucher liegen. Im Übrigen hat mich eine Besucherumfrage von 2004 mit dazu bewogen, diesen Posten anzunehmen. Daraus ging hervor, dass nur 15 Prozent Erstbesucher sind, alle anderen also "Wiederholungstäter". Das finde ich außerordentlich sympathisch und ermutigend.



Museumswelt:

Ihr Vorgänger Wilhelm Hornbostel hat sich mit der spektakulären Skythen-Ausstellung verabschiedet. Wird es solche Großereignisse auch in der Zukunft geben?

Schulze:

Auf jeden Fall. Man hat mich ja auch als Ausstellungsmacherin geholt. Ich habe anspruchsvolle Sonderausstellungen konzipiert, die - wie zum Beispiel "Goethe und die Kunst" - ein breites Publikum angezogen haben. Ausstellungen dieser Art sind sowohl für die Bewohner der Stadt als auch für Touristen interessant - beide Gruppen müssen wir im Auge behalten. Auch Auswärtige sollen wissen, dass es interessant ist und sich lohnt, das Museum für Kunst und Gewerbe zu besuchen. Für die Erhöhung der Attraktivität sind große Sonderausstellungen unverzichtbar. Allerdings soll man sehen, dass wir keine reine Ausstellungshalle sind. Das heißt: Die Themen und Fragestellungen müssen aus der Sammlung entwickelt werden.



Museumswelt:

Welche große Sonderschau könnten Sie sich denn vorstellen?

Schulze:

Zum Beispiel eine große Jugendstil-Ausstellung. Wir haben eine vorzügliche Sammlung, daher bietet sich dieses Thema geradezu an. Aber bevor ich eine solche Kür laufen kann, liegen noch zahlreiche Pflichtaufgaben vor mir.



Museumswelt:

Es gibt Direktoren, die die großen Linien vorgeben und ihre Mitarbeiter zum Zuge kommen lassen. Es gibt aber auch Direktoren, die möglichst viele Ausstellungen selber machen wollen. Welcher Typ von Chef sind Sie?

Schulze:

Ich halte es nicht für die primäre Aufgabe des Direktors eines Museums, der vielmehr ein Gesamtbild des Hauses entwickeln muss. Bei der Ausstellungsplanung setze ich auf eine ganz enge Zusammenarbeit mit den Abteilungsleitern und Kuratoren.