Warum benutzten die (oder der) Mörder von Alexander Litwinenko ausgerechnet das zwar hochgiftige, aber auch äußerst schwer zu beschaffende Polonium, um den Regimekritiker umzubringen? Ein Auftragsmord - und dies könnte einer gewesen sein - wäre durchaus einfacher mit konventionellen Waffen denkbar. Für den Berliner Geheimdienst-Experten Berndt Georg Thamm könnte dahinter eine Verschleierungstaktik nachrichtendienstlicher Kreise stecken. Im Jargon der Agenten heißen diese Auftragsmorde "nasse Sachen".

Um welche Agenten es sich im Fall Litwinenko handeln könnte, lässt sich für Thamm allerdings überhaupt nicht sagen. Seiner Meinung nach könnten es auch nicht mehr angebundene Ex-Agenten sein oder Verbrecherorganisationen mit Verbindungen zum nachrichtendienstlichen Milieu. "Seit der Endphase des Kalten Krieges in den 80er-Jahren kann man beobachten, dass für Auftragsmorde der Nachrichtendienste Substanzen genutzt wurden, die erst Tage nach der Einnahme zum Tod führten", sagt Thamm. Zunächst ist dann nicht erkennbar, warum jemand überhaupt erkrankt und dann auch stirbt. Bis zur Ermittlung der wirklichen Todesursache gewinnen die Mörder Zeit. Auch im Fall Litwinenko war zunächst angenommen worden, dass er mit Thallium, einer auch in Rattengift vorhandenen Substanz, vergiftet worden war. Das Polonium war in seinem Körper erst nach seinem Tod entdeckt worden. Für Verschleierungsmorde gibt es eine ganze Bandbreite von Pflanzen- und Pilzgiften mit der gewünschten Wirkung. Auch gewisse Schlagtechniken von Kampfsportlern können Tage später nach nur einem gezielten Schlag zum Tode führen.

Wer derartige Substanzen einsetzt, um jemanden zu ermorden, ist nach Meinung von Thamm auch in der Lage, falsche Spuren zu legen. Die Polonium-Rückstände in Flugzeugen der British Airways müssten deswegen nicht unbedingt zum Täter führen.