Zeitungen entbinden Wulffs Anwalt von der Schweigepflicht. DJV und Transparency boykottieren Neujahrsempfang. CDU fordert mehr Transparenz.

Berlin. Die Debatte um die Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten überschattet den Neujahrsempfang im Schloß Bellevue. Mehrere Zeitungen haben Wulffs Anwalt von der Schweigepflicht entbunden, darunter die "Bild"-Zeitung, die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Derweil hat die CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen die Verteidiger von Christian Wulff aufgefordert, die Antworten auf Fragen zur Affäre trotz rechtlicher Bedenken zu veröffentlichen. Auch aus der nordrhein-westfälischen CDU kam eine entsprechende Forderung. Derweil haben sowohl Transparency International als auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) aus Protest gegen die fehlende Transparenz des deutschen Staatsoberhaupts dem Neujahrsempfang eine Absage erteilt.

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"Berliner Zeitung" und "Frankfurter Rundschau", Zeitungen des DuMont-Verlages, teilten am Donnerstag in ihren Online-Ausgaben mit: Eine Veröffentlichung aller Fragen zur Kredit- und Medienaffäre werde zeigen, „wie wenig manche Antworten erklären, wie oft Nachfragen nötig waren und dass auch die Antworten auf die Nachfragen bis heute vieles im Unklaren ließen". Auch die "Bild", die wie das Hamburger Abendblatt im Axel-Springer-Verlag erscheint, habe Wulffs Anwalt Gernot Lehr die „ausdrückliche Genehmigung“ zur Veröffentlichung ihrer Anfragen sowie Wulffs Antworten erteilt, damit der Präsident eine „größtmögliche Transparenz“ herstellen könne, sagte der stellvertretende Sprecher des Verlags, Tobias Fröhlich am Donnerstag. „Wir hoffen, dass viele Journalisten dem Beispiel folgen werden“, sagte Fröhlich. Lehr hatte am Mittwoch mitgeteilt, seine Kanzlei sei „aus Rechtsgründen daran gehindert“, die im Zusammenhang mit Wulffs Kreditaffäre gestellten Fragen und die dazu gehörigen Antworten zu veröffentlichen.

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Aus der nordrhein-westfälischen CDU wird Wulff jetzt aufgefordert, alle Details zu seiner Kredit- und Medienaffäre offenzulegen. „Wer der Öffentlichkeit sagt, wir brauchen Transparenz, muss sie am nächsten Tag auch so herstellen, wie er das versprochen hat“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Landtag, Armin Laschet, am Donnerstag im WDR-Hörfunk. Wenn Wulff die Veröffentlichung nicht freigebe, „wird die Debatte weitergehen“. Laschet betonte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe keine Möglichkeit, Wulff zur Veröffentlichung der Antworten zu veranlassen. „Das kann sie nicht.“ Der Bundespräsident sei nicht ihr Mitarbeiter. „Es ist völlig egal, ob Frau Merkel zu ihm steht oder nicht zu ihm steht, wenn er sagt: „Ich bleibe Bundespräsident“, dann bleibt er Bundespräsident“, erläuterte Laschet.

Auch die CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen hat die Verteidiger des Bundespräsidenten aufgefordert, die Antworten auf Fragen zur Kredit- und Medienaffäre trotz rechtlicher Bedenken zu veröffentlichen. „Es ist bei uns weiterhin ein starker Rückhalt für Herrn Wulff zu spüren“, betonte Fraktionschef Björn Thümler am Donnerstag in Hannover. „Worauf wir nun aber dringen, ist, dass diese Antworten auch öffentlich gemacht werden.“ Der übergeordnete Wunsch nach Aufklärung, den Journalisten und Bürger hätten, rechtfertige dies, sagte der Unionspolitiker. Thümler zeigte für die Argumentation, die Kanzlei sei aus Rechtsgründen an der Veröffentlichung gehindert, wenig Verständnis: „Wie man das juristisch bewertet, ist eine Sache – politisch aber eine andere.“ Unabhängig davon bleibe das Vertrauen in Wulffs Ankündigung hoch, die Vorwürfe transparent aufklären zu wollen, erklärte der CDU-Landesverband.

Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann legte dem Bundespräsidenten sogar einen Rücktritt nahe. Das Amt sei schon jetzt beschädigt, allein durch die öffentliche Diskussion auch in großen Leitmedien wie „Spiegel“ und „Zeit“, sagte er am Mittwochabend im ZDF. „Mein persönlicher Rat an ihn wäre, dass er sich und seiner Familie das nicht länger antut.“ Ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende.

Ein etwas anderer Neujahrsempfang

Die Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International, Edda Müller, verteidigte ihre Absage an den Neujahrsempfang im Schloß Bellevue. „Im Moment hat man den Eindruck, dass er auf das Vergessen der Leute spekuliert“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“ und fügte an: „Das ist für mich und unsere Organisation unerträglich“. Eine Demutsgeste in der Öffentlichkeit zu signalisieren und dann zur Tagesordnung überzugehen, sei kein Verhalten, das der Würde des Amtes gemäß sei. Überraschend hat auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, seine Teilnahme am Neujahrsempfang abgesagt. Damit protestiere er gegen die „Desinformationspolitik des deutschen Staatsoberhaupts“, teilte Konken in Berlin mit. Nach DJV-Angaben ist es das erste Mal, dass der Verbandsvorsitzende den traditionellen Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten boykottiert.

An seinem Amtssitz in Berlin empfing Wulff Vertreter der Politik, des öffentlichen Lebens und verdiente Bürger. Den Auftakt des Defilees machte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Zum traditionellen Neujahrsempfang war auch das Bundeskabinett unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geladen. Insgesamt wurden 80 Bürger aus allen Bundesländern eingeladen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Mit der Einladung wollen der Bundespräsident und seine Frau Bettina deren Einsatz für das Gemeinwesen ehren. Im Anschluss an das Defilee bittet der Bundespräsident zu einem Mittagessen in den Großen Saal seines Amtssitzes.

Mit Material von dpa/dapd