Sigmar Gabriel und Angela Merkel schenken sich nichts. Atomkompromiss, Sarrazin-Thesen und Stuttgart 21 lassen die Wogen hochkochen.

Berlin. Diese Debatte hat es in sich: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Haushaltsdebatte im Bundestag zu einer scharfen Abrechnung mit der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung genutzt. „Sie machen sich selbst zur Kanzlerin der Konzerne“, warf Gabriel Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor und fügte hinzu, sie bediene hauptsächlich Lobby- und Klientelinteressen. Auf der anderen Seite fehle der Regierung „jede Vorstellung davon, was eigentlich Gemeinwohl ist in Deutschland“.

Der SPD-Chef verwies in diesem Zusammenhang auf den von der Regierung beschlossenen Steuerrabatt für Hoteliers sowie die Absprachen mit den Akw-Betreibern über Brennelementesteuer und längere Laufzeiten. Mit ihrer Energiepolitik behindere die Regierung nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien, sie eröffne auch „einen gesellschaftlichen Großkonflikt erneut“ und bereite einen Verfassungsbruch vor. „Monatelang wird über Steuern nicht in der Regierung oder im Parlament verhandelt, sondern hinter verschlossenen Türen mit der Atomlobby“, kritisierte Gabriel das Vorgehen der Regierung.

Unterdessen wurde bekannt, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und sein Ministerium nicht an der umstrittenen Atom-Vereinbarung mit den Energiekonzernen beteiligt war. „Ich habe an dem Vertrag nicht mitgewirkt, und es hat auch kein Vertreter des Umweltministeriums teilgenommen“, sagte Röttgen nach Angaben von Teilnehmern in einer Sondersitzung des Umweltausschusses.

Der SPD-Politiker Matthias Miersch wertete die Aussagen als „deutliche Absetzbewegungen“ Röttgens von dem tagelang unter Verschluss gehaltenen Vertrag.

Kanzlerin Merkel zog in der Generaldebatte trotz der schlechten Umfragewerte für ihre Regierung ein positives Fazit. So sei Deutschland zwei Jahre nach dem Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wieder auf Wachstumskurs . „Wir haben Grund zur Zuversicht.“ Und: „Wir haben gezeigt, was in uns steckt.“ Es stehe aber noch ein großes Stück Arbeit bevor, bis ein nachhaltiger weltweiter Aufschwung gesichert sei. Zu den Herausforderungen gehörten der veränderte Altersaufbau der Gesellschaft, der weltweite Wettbewerb sowie der Klimaschutz.

Das Wichtigste sei, dass der Arbeitsmarkt robust sei, sagte Merkel. Die Arbeitslosigkeit sei wieder auf das Niveau vor der Krise gesunken. Vor fünf Jahren habe sie bei fast fünf Millionen gelegen, heute werde vielleicht die Zahl von drei Millionen unterschritten. „Das ist auch ein Erfolg der christlich-liberalen Koalition.“

Merkel verteidigte die Entscheidung für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke und das Energiekonzept. Schwarz-Gelb habe sich das Laufzeit-Plus nicht von der Wirtschaft abkaufen lassen. Im Streit über die Integrationspolitik räumte Merkel Fehler ein. Man habe vielleicht zu lange von Gastarbeitern gesprochen. Beim „Gerede von Multikulti“ sei aber zu lange versäumt worden, die Betroffenen zu fordern und zu fördern.

In der Debatte um das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ hat Merkel der SPD und den Grünen Verlogenheit vorgeworfen. „Die Grünen sind immer für die Stärkung der Schiene. Wenn es dann mal um einen neuen Bahnhof geht, dann sind sie dagegen“, sagte Merkel. Die SPD hingegen sei jahrelang für Stuttgart 21 gewesen. Nur jetzt, wo man dafür kämpfen müsse, spreche sie sich dagegen aus. „Diese Art von Standhaftigkeit ist genau das nicht, was Deutschland nach vorne bringt.“ Die Landtagswahl im kommenden Jahr bezeichnete Merkel als Abstimmung über die Zukunft Baden-Württembergs.