„Merkel hat ihn wie einen Schuljungen vor der Tür stehen lassen.“ Regierung verteidigt den Atom-Deal – am Sonnabend Demonstration in Berlin.

Berlin. Angesichts immer neuer Details aus dem Atomkompromiss der Bundesregierung hat die Opposition sich auf Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) eingeschossen. Er war offenbar an dem Vertrag mit den Energiekonzernen nicht beteiligt. „Wir sind Zeugen eines Machtkampfes auf offener Bühne. Es ist schlicht unvorstellbar, dass der für Reaktorsicherheit zuständige Minister nicht an den Verhandlungen der Bundesregierung beteiligt wird“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, im Bundestag.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte zur Tatsache, dass sich anscheinend Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) regierungsintern mit seinen Vorstellungen durchgesetzt hat: „Man kann auch gegen Herrn Brüderle verlieren. Aber nie darf ein Umweltminister so tief sinken, dass er den Kakao auch noch lustig schlabbert, durch den Herr Brüderle ihn zieht – das machen Sie gerade.“

Vertreter von SPD, Linken und Grünen warfen der schwarz-gelben Koalition vor, sie bediene Klientelinteressen und regiere im Sinne der großen Konzerne . Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger wiesen die Vorwürfe zurück. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte den Kompromiss in deutlicher Form. Noch nie habe sich eine Bundesregierung so „zum Handlanger von Großkonzernen“ degradiert, sagte Gabriel.

Er warnte Schwarz-Gelb davor, einen „gesellschaftlichen Großkonflikt“ wieder zu eröffnen , den Rot-Grün mit dem Gesetz zum Atomausstieg eigentlich schon beendet habe. Daher werde die SPD gegen die Neuregelung zu den Restlaufzeiten vor das Bundesverfassungsgericht ziehen . Gabriel zeigte sich überzeugt, dass das neue Gesetz „keine lange Laufzeit“ haben werde. Mit dem Ende der Legislatur werde es sicherlich wieder abgeschafft.

Merkel verteidigte das Energiekonzept. Es vereine drei Aspekte, die für einen modernen Industriestandort zentral seien: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. „Wir wollen das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen, aber so, dass Wirtschaft und Umwelt zusammenkommen und nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagte Merkel. Dafür seien Atomkraft und Kohle als Brückentechnologien unverzichtbar. Mit den zusätzlichen Gewinnen aus der Laufzeitverlängerung solle der Ausbau erneuerbarer Energien verbessert werden und damit auch die Technologieführerschaft bei den regenerativen Energien weiterentwickelt werden.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich verwies darauf, dass Deutschland auf Atomstromimporte angewiesen sei, wenn die Laufzeiten hierzulande nicht verlängert würden. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger betonte, mit dem Atom-Kompromiss werde Energiesicherheit garantiert und zusätzliche Mittel für die Förderung erneuerbare Energien aufgebracht.

Die Zusatzgewinne für die vier Atomkonzerne würden „abgeschöpft“, versicherte sie. Mit Blick auf die zunächst geheim gehaltenen Zusatzabsprachen fügte Homburger hinzu, es sei richtig, mehr in die Sicherheit zu investieren.

Nach Angaben einer Kampagnenorganisation wollen sich am kommenden Sonnabend Zehntausende in Berlin einer Anti-Atomdemonstration anschließen. Laut „Campact“ haben über 100.000 Menschen innerhalb einer Woche im Internet angekündigt, sich an Protesten gegen die Atompläne der Bundesregierung zu beteiligen.