Duisburgs Bürgermeister Sauerland ist für viele der Schuldige am Drama bei der Loveparade. Bei einem Rücktritt erhielte er keine Pension.

Hamburg. Adolf Sauerland, 55, galt in seiner Heimatstadt Duisburg als beliebt und volksnah. Und bei seiner Partei, der CDU, war der Oberbürgermeister ein Held. Nach mehr als 50 Jahren SPD-Herrschaft hatte er 2004 den Sozialdemokraten das Rathaus der Arbeiterstadt entrissen, mit 61,2 Prozent die Stichwahl gegen seine Vorgängerin Bärbel Zieling gewonnen. "Duisburg kann besser" war damals sein ebenso hemdsärmeliger wie erfolgreicher Wahlkampf-Slogan.

Jetzt ist nichts mehr besser, und die Zeit für Hemdsärmeligkeiten ist auch vorbei. Seine Bürger fordern ihn zum Rücktritt auf. Für viele ist er der Schuldige am Unglück bei der Loveparade am vergangenen Wochenende, das mittlerweile 21 Tote und mehr als 500 Verletzte gekostet hat. Seit der Katastrophe wird er mit Morddrohungen konfrontiert und steht unter Polizeischutz. Auch morgen zur Trauerfeier wird er sich nicht sehen lassen. Die Emotionen sollen nicht weiter angeheizt werden.

Doch seinen Posten will er nicht aufgeben. Vorerst. "Ein Oberbürgermeister kann nicht einfach zurücktreten. Er übernimmt Verantwortung und muss sich dieser auch stellen. Mein allergrößtes Interesse ist, dass die Hintergründe, die zu dieser Katastrophe geführt haben, lückenlos aufgeklärt werden. Es geht darum, die Verantwortlichen ausfindig zu machen und dann die nötigen Konsequenzen zu ziehen", sagte er der "Rheinischen Post".

+++Portrait: Adolf Sauerland - Vom Liebling zum Buhmann+++

Vielleicht hält ihn tatsächlich eine Mischung aus Verantwortungsgefühl und Lokalpatriotismus im Amt. Schließlich hat er den Dunstkreis seiner Heimatstadt nie wirklich verlassen, hat hier nach der Schule Maschinenbau, Geschichte und Pädagogik studiert und wurde Berufsschullehrer im nahe gelegen Krefeld-Uerdingen. In die CDU trat er 1980 ein, wurde später stellvertretender Vorsitzender seiner Partei in Duisburg und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Und zog schließlich ins Oberbürgermeisterbüro ein. Auch als Chef der Kommune verlor er nicht seine Volkstümlichkeit, ließ sich gern stets gut gelaunt mit Kindern und Bürgern ablichten, parlierte mit ihnen in der heimischen Mundart und ließ sich ebenso gern mit dem Fanschal des MSV sehen.

Er liebte es, in großen Dimensionen zu denken - auch wenn die Kassen der Stadt leer waren. Sauerland verlegte sich daher auf Symbolpolitik, versuchte, große Events, große Firmen und große Projekte in die Stadt zu holen. Sauerland und Duisburg waren nahezu eins.

Vielleicht geht es bei seinem Verharren im Amt auch um ganz profane Dinge - um Geld. Als erste Ratsfraktion hat nun die Linke angekündigt, Sauerland zum Gehen zu zwingen. Sie beantragte für die nächste Ratssitzung am 4. Oktober seine Abwahl, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Und so lange wird Sauerland versuchen, im Amt zu bleiben. Denn ein sofortiger Rücktritt käme einem finanziellen Selbstmord gleich. "Der Mann wäre ruiniert", sagt Heinz Wirz vom Bund der Steuerzahler in Düsseldorf. Er würde nach Paragraf 33 und 37 des Landesbeamtengesetzes seine komplette Pension verlieren. Auch die Pensionsansprüche, die sich Sauerland vor der Wahl 2004 in langen Jahren als Oberstudienrat in Krefeld erworben habe, wären verloren. Sauerland müsste in der Rentenversicherung nachversichert werden und bezöge dann erst mit Erreichen des Rentenalters in zehn Jahren eine Rente.

Bei einer Entlassung aus dem Amt durch Abwahl hingegen erhielte Sauerland noch drei Monate die Dienstbezüge, anschließend eine Versorgung bis zum Ablauf der regulären Amtszeit. Das Ruhegehalt beträgt während der ersten fünf Jahre 71,75 Prozent der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte bei seiner Abwahl befunden hat. Sauerland wird nach Besoldungsgruppe B10 bezahlt. Das Grundgehalt in dieser Stufe beträgt 10 709,29 Euro.

Für viele Bürger und auch immer mehr Politiker kann aber ein Rücktritt des vierfachen Vaters nicht schnell genug gehen. So sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), im SWR, je schneller Sauerland seinen Hut nehme, desto besser. Unterstützung für den CDU-Mann findet sich in diesen Tagen - zumindest öffentlich - nicht. Der einst lebensfrohe Sauerland scheint nach dem Unglück selbst in seiner Partei allein dazustehen. Medien berichten, auch Mitarbeiter sehnten sich offenbar danach, dass das Stadtoberhaupt sein Amt zur Verfügung stelle. Die Situation sei unerträglich geworden, zitiert die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" einen Mitarbeiter.