Die FDP-Spitze will sich nicht zum „Herrenwitz“-Artikel äußern. “Stern“-Journalistin Laura Himmelreich zum Pressefrühstück eingeladen.

Berlin. Die FDP hält ungeachtet der Sexismus-Vorwürfe an ihrem designierten Bundestags-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle fest. Die Partei setzt nun darauf, dass der 67-jährige Fraktionschef nicht zu einer Belastung im Bundestagswahlkampf wird. "Es liegt an uns, dass es dazu nicht kommt", sagte Generalsekretär Patrick Döring am Montag. Er forderte, die öffentliche Diskussion "weit weg vom Anlass zu führen" - also Brüderle nicht an den Pranger zu stellen. "Es wird zu Unrecht eine gesellschaftliche Debatte mit seiner Person verbunden." Brüderle selbst machte in einer Sitzung der FDP-Spitze deutlich, dass er sich weiterhin öffentlich nicht zu den Vorwürfen äußern will.

Am Mittwoch findet das übliche Pressefrühstück des Fraktionsvorsitzenden mit Journalisten statt. Auch die "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich ist dazu eingeladen. Die Reporterin hatte in einem Porträt über Brüderle geschrieben, dieser habe sich vor mehr einem Jahr an einer Hotelbar ihr gegenüber anzüglich geäußert. Der Bericht löste unter Politikern und im Internet eine Debatte über Sexismus und Rollenbilder in Politik und Gesellschaft aus. Das ermutigt offenbar Opfer von sexueller Belästigung, sich bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu melden. Seit vergangener Woche gebe es einen wahrnehmbaren Anstieg der gemeldeten Vorfälle, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, sagte, viele Betroffene wüssten nicht, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten sei. "Es ist keine Petitesse, wenn jemand einer Frau ständig in den Ausschnitt starrt, Pornobilder ins Büro hängt oder Anspielungen sexueller Art macht." Wer so etwas tue, müsse mit einer Abmahnung oder Kündigung rechnen.

Brüderle bekam von der Parteispitze volle Rückendeckung. Im Präsidium sei einhellig respektiert worden, dass er seine Wahrnehmung über den Abend des 5. Januar 2012 in Stuttgart nicht öffentlich ausbreiten wolle, den die "Stern"-Journalistin beschrieb. Zwischen FDP-Chef Philipp Rösler und Brüderle sei abgesprochen, dass "wir die Debatte nicht von der Spitze der Partei beleben", sagte Döring. Nach einem Machtkampf hatte sich die FDP erst vergangene Woche auf eine Arbeitsteilung von Rösler und Brüderle bis zur Wahl geeinigt. Brüderle lehnte das Angebot Röslers ab, auch den Parteivorsitz zu übernehmen.

Döring warf dem "Stern" vor, bewusst ein "Zerrbild" von Brüderle gezeichnet zu haben, um ihm zu schaden. Brüderle sei ein "charmanter, fähiger und honoriger Kopf", der seit Jahrzehnten dem Land in verschiedenen Ämtern diene. Das Magazin habe billigend in Kauf genommen, dass auch Brüderles Ehefrau "brutalstmöglich" hineingezogen worden sei.

"Stern"-Chefredakteur Thomas Osterkorn verteidigte die Autorin und die Veröffentlichung des Artikels erneut. Himmelreich habe "ein Bild eines Mannes gezeichnet, der ein Problem im Umgang mit Frauen hat, mindestens verbal", sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Günther Jauch".