Mehrheit im Bundesrat: Nach dem Machtwechsel in Niedersachsen wollen die SPD-Länder die schwarz-gelbe Regierung unter Druck setzen. “Ein Sieg bei der Bundestagswahl ist möglich.“

Hamburg. Nach dem Machtwechsel in Niedersachsen werden erstmals seit 2001, als in Hamburg CDU und Schill-Partei eine Koalition bildeten, wieder alle norddeutschen Bundesländer von SPD-Ministerpräsidenten regiert. Einschließlich des rot-rot regierten Brandenburg verfügen dann die von SPD und Grünen regierten Länder zusammen über 36 Stimmen im Bundesrat - eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit von 35 Stimmen.

Sozialdemokraten und Grüne wollen diese Mehrheit nutzen, um in der Länderkammer Gesetzesinitiativen anzustoßen. Damit soll die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Druck gesetzt werden. "Wir haben jetzt eine eigene Gestaltungsmehrheit", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) kündigte am Montag bereits eine Bundesrats-Initiative der norddeutschen Länder zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns an. Scholz, früher Bundesarbeitsminister, könnte dabei möglicherweise selbst die Federführung übernehmen. Auch die Ablehnung des von Schwarz-Gelb durchgesetzten Betreuungsgeldes wird sich laut Scholz "bald in den Beschlüssen des Bundesrates niederschlagen".

Der künftige niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sieht den Kampf der SPD um jede Stimme im Landtagswahlkampf als Vorbild auch für die Bundestagswahl. "Lasst uns gemeinsam 2013 auch für die Bundespolitik zum Jahr des Wechsels machen. Es ist möglich", sagte Weil am Montag im Berliner Willy-Brandt-Haus. Ausdrücklich dankte er für die Unterstützung der Bundespartei. An die Adresse von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte Weil: "Ich freue mich, Peer, dass wir die Landtagswahl gemeinsam gewonnen haben." Die SPD tue gut daran, ihre eigentliche Stärke in den Mittelpunkt zu stellen, den Einsatz für soziale Gerechtigkeit und ein vernünftiges Bildungssystem. Scholz sagte: "Im September ist ein Regierungswechsel in Deutschland möglich." Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel glaubt an eine "Riesenchance", mit den Grünen einen Richtungswechsel einzuleiten. "Die Bundestagswahl ist offen, wir werden kämpfen", sagte Gabriel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe zwölfmal in Folge ihre schwarz-gelbe Mehrheit in einem Bundesland nicht zum Erfolg führen können. Fünfmal sei ein CDU-Ministerpräsident abgelöst worden.

Niedersachsens geschlagener Ministerpräsident David McAllister (CDU) gab zu erkennen, er wolle nicht Oppositionsführer in Hannover werden. Merkel sagte, dem 42-Jährigen gehöre die Zukunft - "an welcher Stelle auch immer". Ausdrücklich lehnte sie sogenannte Leihstimmen für die FDP bei der Bundestagswahl ab. In Niedersachsen hatten viele CDU-Anhänger FDP gewählt, weil sie fürchteten, der Koalitionspartner könne an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Nach dem vorläufigen Endergebnis verlor die CDU 6,5 Punkte, blieb aber mit 36,0 Prozent stärkste Kraft - gefolgt von der SPD, die auf 32,6 Prozent (plus 2,3) kam. Die Grünen erzielten 13,7 Prozent (plus 5,7), die FDP erreichte 9,9 (plus 1,7) und die Linke 3,1 Prozent (minus 4,0). Die Differenz zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb betrug genau 12.409 Stimmen. Mit Überhang- und Ausgleichsmandaten ergibt sich folgende Sitzverteilung: CDU 54, SPD 49, Grüne 20, FDP 14. Damit hat Rot-Grün im Landtag eine Ein-Stimmen-Mehrheit.