Was die rot-grüne Regierung in Niedersachsen erwartet

David McAllister und seine Niedersachsen-CDU hadern angesichts der knappen neuen Mehrheit im Landtag für SPD und Grüne mit ihrem Schicksal. Was die Christdemokraten angesichts der bitteren Niederlage nicht sehen wollen oder können: Es hat bei der Landtagswahl eine Mehrheit jenseits von CDU und FDP gegeben, die deutlich größer ist als das eine alles entscheidende Mandat. Drei Prozent der Stimmen für die Linke und zwei Prozent für die Piraten sind wegen des Wahlrechts quasi unter den Tisch gefallen. So groß angesichts des Sieges in letzter Minute die Euphorie bei den neuen Koalitionspartnern auch ist, SPD und Grüne werden sehr schnell und sehr unsanft auf dem Boden der Tatsachen ankommen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz und 59,5 Milliarden Euro Landesschulden setzen enge Grenzen. Es gibt in den anstehenden Koalitionsverhandlungen eigentlich nur Spielräume durch Umverteilung und nicht durch Schuldenmacherei. Schlicht unseriös wäre es, jetzt Mehrausgaben zu beschließen unter Hinweis darauf, eine neue rot-grüne Bundesregierung werde für die notwendigen Mehreinnahmen schon nach September sorgen. Und es gibt Politikfelder, die dringend beackert werden müssen, aber auf denen nicht einmal der berühmte Blumentopf zu gewinnen ist. Dazu gehört ein Neuzuschnitt nicht nur von Gemeinden, sondern auch von Landkreisen, notfalls mit Gewalt - also durch Landesgesetzgebung. Und wer wie Niedersachsen besonders stark von der Energiewende profitieren will, muss auch den Mut aufbringen, Stromtrassen durchzusetzen gegen den Widerstand der betroffenen Anwohner. Auf beiden Politikfeldern hat die alte CDU/FDP-Landesregierung kläglich versagt. Genauer: Sie hat sich nicht getraut, den Wählern die Wahrheit zu sagen und entsprechend zu handeln. Der neue starke Mann, Stephan Weil, hat im Wahlkampf versprochen, er wolle als Ministerpräsident den Schulkrieg in Niedersachsen beenden. Dazu aber gehört nicht nur, mehr Gesamtschulen zu ermöglichen. Ein echter Friedensschluss setzt Kompromisse voraus, mit denen eine breite Mehrheit im Landtag so gut leben kann, dass sie sogar einen Machtwechsel überstehen.