Abgeordnetenhaus debattiert über Misstrauensantrag gegen Wowereit. Wurde auf der Flughafen-Baustelle überhaupt irgendetwas richtig gemacht?

Berlin. Angesichts des Dauer-Desasters um den Hauptstadtflughafen ist das Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Einziger Tagesordnungspunkt ist ein Misstrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Über den Antrag der Oppositionsfraktionen von Grünen und Piraten wird zunächst diskutiert, namentlich abgestimmt wird am Samstag in einer weiteren Sondersitzung.

Am Montag war bekannt geworden, dass die zuletzt zum 27. Oktober geplante Eröffnung des Flughafens nicht zu halten ist. Es war bereits die vierte Verschiebung. Wowereit trat als Vorsitzender des Aufsichtsrates zurück. Die Opposition fordert, dass der SPD-Politiker auch als Berliner Regierungschef zurücktritt.

Es gibt nicht mehr viel, was einen in der schier unendlichen Geschichte um den Berliner Hauptstadtflughafen BER noch überraschen kann. Doch auf einer der hinteren Seiten des jüngsten Controllingberichts ist ein ganz besonderes Detail festgehalten. Am BER wurden demnach nicht nur Baugenehmigungen missachtet und Kabel falsch verlegt - auch mehr als 1000 Bäume wurden falsch gepflanzt und müssten nun eigentlich ausgetauscht werden.

Dass dies in der Öffentlichkeit nicht sonderlich gut ankommen würde, muss der Geschäftsführung klar gewesen sein. "Um eine negative Auswirkung durch die Rodung und Beseitigung von circa 1000 zumeist gut angewachsenen Bäumen zu vermeiden", wolle man bei circa 400 Bäumen "von abweichenden Sorten und Arten" darauf verzichten, vom Auftragnehmer einen Austausch zu verlangen. Die anderen 600 Bäume sollen dagegen herausgerissen und neu gepflanzt werden.

Längst ist die Frage, was auf der Baustelle im Südosten der Hauptstadt überhaupt richtig funktioniert. Flughafen-Technikchef Horst Amann bezeichnete die Probleme jedenfalls als "gravierend, fast grauenhaft". An mehreren Stellen wurde gegen die Genehmigungen des Bauordnungsamts verstoßen. Möglicherweise ist es daher mit einzelnen Korrekturen auch gar nicht getan. Amann will nun prüfen lassen, ob der Flughafen in dieser Form überhaupt in Betrieb gehen kann "oder ob ein vollständiger Umbau auf den Genehmigungszustand unumgänglich ist". Das schrieb er am 4. Januar in einem Brief mit dem Titel "Projektstatus BER". Was das bedeutet, lässt sich noch nicht voll abschätzen. Aber Decken, Schächte, Böden, Wände müssen wohl aufgerissen werden.

Das Hauptproblem ist die in Größe und Komplexität weltweit einmalige Brandschutzanlage. Insbesondere die Entrauchung funktioniert nicht zuverlässig. Die Anlage soll dafür sorgen, dass die Räume des Airports im Fall eines Brandes für mindestens 15 Minuten bis in 2,15 Meter Höhe rauchfrei bleiben. So sollen die Menschen genügend Zeit haben, aus dem Gebäude zu fliehen. Aber das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten klappt nicht immer. Es besteht "die Gefahr der Verwirbelung" der rauchfreien Schicht. An einigen Stellen sieht Amann keine andere Wahl, als die geschossübergreifende Entrauchung auf einzelne Geschosse umzustellen. Die Sprinkleranlage musste um zusätzliche Sprinklerköpfe erweitert werden. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Rohrleitungen, durch die das Wasser fließt. Folglich sind laut dem Bericht neue Berechnungen notwendig. Er zeigt neben dem Brandschutz weitere Schwachstellen auf. So besteht für die Kühlanlagen im Rechenzentrum "die Gefahr der Überhitzung und Abschaltung".

Auf der gesamten Baustelle, so der Bericht, sei nur "eine reduzierte Leistungserbringung" erfolgt. Das ganze Projekt liegt im Zeitplan schon wieder zurück. Ein entscheidender Grund dafür ist, dass die Mängel noch immer nicht abschließend erfasst wurden, folglich die Pläne fehlen und eine Fertigstellung durch die Arbeiter nicht möglich war. Die Leitsysteme etwa sind erst zu 87 Prozent fertiggestellt. In der Abfallsammelstelle und der Fahrzeughalle sind "bauliche Anpassungen durch die zwingende Umsetzung bisher nicht berücksichtigter Richtlinien erforderlich". Und für die Tankanlage unter dem Rollfeld fehlt nach wie vor der Sicherheitsnachweis. Nun könnte die Eröffnung des Hauptstadtflughafens schlimmsten Befürchtungen zufolge sogar erst 2015 stattfinden. Einen neuen Starttermin gibt es nicht. Noch steht nicht einmal fest, bis wann darüber entschieden werden soll.

Erste Stimmen werden bereits laut, das Projekt nun ganz grundsätzlich zu überdenken. So könnte es sich lohnen, sofort mit der ohnehin in wenigen Jahren anstehenden BER-Erweiterung zu beginnen. Denn hier lauern die nächsten Schwierigkeiten: Angesichts der stetig wachsenden Passagierzahlen würde der Flughafen schon bald nach der Inbetriebnahme an den Rand seiner Leistungsfähigkeit kommen. Zwar gibt es Raum für Erweiterungen. Doch Kritiker wie der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa haben das Terminal als Schwachstelle ausgemacht. Dieses sei jetzt schon zu klein, sagt Faulenbach da Costa.

Zudem wird bald die Sanierung einer der beiden Start- und Landebahnen notwendig. Am BER soll nämlich eine der alten Bahnen des Flughafens Schönefeld genutzt werden. Diese muss spätestens 2018 saniert werden. Die Flughafengesellschaft plant bislang, die Startbahn während des laufenden Betriebs zu sanieren. Die Arbeiten müssten abschnittsweise nachts erfolgen.

Doch Probleme bereitet nicht allein der BER. Denn solange die Hauptstadt in Schönefeld nicht abhebt, muss der alte innerstädtische Flughafen Tegel (TXL) weiter seinen Dienst tun. Dabei platzt dieser Airport längst aus allen Nähten. Das am 1. November 1974 eröffnete Hauptterminal A war damals für gerade einmal 2,5 Millionen Passagiere im Jahr konzipiert. Im vergangenen Jahr aber sind in Tegel etwa 18 Millionen Fluggäste abgefertigt worden. Zwar sind nach und nach drei mehr oder minder provisorische Zusatz-Terminals dazugekommen, doch ein Großteil der Infrastruktur in Tegel stammt noch aus der Entstehungszeit. Gleichwohl hat die Lufthansa-Tochter Germanwings unlängst ihre Berlin-Flüge von Schönefeld nach Tegel verlegt. Weitere Airlines haben für TXL zusätzliche Start- und Landezeiten beantragt und teilweise bereits bewilligt bekommen.

Angesichts der nochmaligen Verschiebung des BER-Eröffnungstermins fordern die wichtigsten Tegel-Nutzer - Lufthansa und Air Berlin - Investitionen in den alten Flughafen. "In Tegel muss investiert werden, um einen vernünftigen Service für die Fluggäste zu gewährleisten", sagt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber. "In erster Linie muss von der Flughafengesellschaft gewährleistet werden, dass die vorhandene Infrastruktur fit gehalten wird." Und Air Berlin fordert von der Flughafengesellschaft, es müsse jetzt alles getan werden, um in Tegel "einen noch besseren Standard zu erreichen".

Was im Einzelnen verbessert muss, lassen die Airlines zwar offen. Doch die Schwachstellen von Tegel sind bekannt. Besonders eng sind die Kapazitäten bei der Gepäckabfertigung. Im Sommer mussten Passagiere teils mehr als eine Stunde auf ihre Koffer warten. Besonders problematisch ist die Situation für Fluggäste, für die Tegel nur ein Zwischenstopp ist. Denn für Transfers ist der Flughafen mit seinen dezentralen Abfertigungsanlagen nicht gebaut worden. Das Gepäck für Umsteigepassagiere - etwa sieben Prozent aller Fluggäste - muss von Hand und bisweilen unter freiem Himmel umsortiert werden. Dabei kommen immer wieder Koffer zu spät zum Anschlussflug oder sind tagelang nicht auffindbar.

Zwar gibt es mittlerweile eine neue Sortieranlage. Doch insbesondere Air Berlin könnte für noch mehr Transfergepäck sorgen. Die finanziell angeschlagene Airline will sich noch stärker als Zubringer für den strategischen Partner Etihad as Abu Dhabi profilieren. Geht das Konzept auf, steigt die Zahl der Umsteigepassagiere in Tegel noch weiter an.

Zweites Problem: Ein Großteil der Technik in Tegel ist in die Jahre gekommen und störanfällig. Ständig sind Monteure unterwegs, um etwa defekte Gepäckbänder zu reparieren. "Wir brauchen in Tegel jedes Gepäckband und jede Fluggastbrücke", sagt Lufthansa-Sprecher Weber. Jede auch nur kurzzeitige Störung könne für den Flugbetrieb fatale Folgen haben, da es fast keine Reservekapazitäten gibt.

Akuter Mangel herrscht in Tegel auch an Abstellplätzen für Flugzeuge auf dem Vorfeld. Speziell im Winter, wenn zusätzliche Flächen zum Enteisen der Maschinen und zur Lagerung des geräumten Schnees benötigt werden, kann es sehr eng werden. Wiederholt haben Airline-Manager ihre Sorge geäußert, dass es bei einem heftigen Wintereinbruch zu großen Problemen im Betriebsablauf kommen kann.