EU-Justizkommissarin Viviane Reding über ihre Regelung zur Frauenquote - und wie diese die Berufswelt verändern kann.

Berlin/Brüssel. Als das Ergebnis in der Sitzung der EU-Kommission feststand, konnte Viviane Reding nicht mehr warten. Die Luxemburger Justizkommissarin verkündete ihren Erfolg per Twitter-Mitteilung in 20 Sprachen: "Geschafft". Über die Konsequenzen der Brüsseler Entscheidung sprach Karsten Kammholz mit Reding.

Hamburger Abendblatt: Frau Kommissarin, die europaweite Frauenquote für Aufsichtsräte ist beschlossene Sache. Ist das Ihr persönlicher Sieg?

Viviane Reding: Das ist ein Gemeinschaftswerk. Es gab Generationen von Frauen, die sich dafür eingesetzt haben, dass Frauen nicht mehr am Rande der Gesellschaft stehen und mehr Rechte bekommen. Seit 50 Jahren setzt sich die EU erfolgreich für die Geschlechtergleichheit ein. Heute haben wir einen weiteren wichtigen Schritt genommen - hin zu mehr Geschlechtergleichheit in den Aufsichtsräten der Privatwirtschaft. Diesen Schritt sind Männer und Frauen in der Politik gemeinsam gegangen.

Was verändert sich für die Berufswelt von Frauen, wenn sie in Aufsichtsräten künftig 40 Prozent Anteil haben?

Reding: Wir setzen ein sehr starkes Signal. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass 60 Prozent der Universitätsabsolventen Frauen sind, aber die Frauen vor der Tür stehen gelassen werden, wenn es um die Top-Posten in den Unternehmen geht. In Deutschland gibt es nur 16 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen. Mit anderen Worten: Wir haben eine Männerquote von 84 Prozent. Das darf nicht so bleiben.

Wie kann die Quote Frauen helfen, die in Firmen aufsteigen wollen?

Reding: Die Quote an der Spitze hat eine Wirkung, die man nicht unterschätzen sollte. Wir brauchen mehr als die eine Vorzeigefrau im Unternehmen. Das wird Frauen ermutigen, einen beruflichen Aufstieg zu verfolgen. Und wir wissen auch: Frauen fördern Frauen. In Zukunft werden qualifizierte Frauen die gläserne Decke durchbrechen können, wenn sie sich beruflich durchsetzen wollen.

Aber ein Aufsichtsrat hat nicht das Gewicht eines Vorstands.

Reding: Wenn Aufsichtsräte nicht so wichtig sind, frage ich mich, warum Frauen bis jetzt außen vor gelassen wurden. Aufsichtsräte scheinen also doch so wichtig zu sein, dass sie vor allem mit Männern besetzt werden.

Warum machen Sie nicht gleich eine Quote für Firmenvorstände?

Reding: Wir wollen nicht in die Unternehmensführung eingreifen - das wäre auch nicht juristisch hieb- und stichfest. Für die Vorstände haben wir daher das deutsche Modell der Flexi-Quote gewählt. Das heißt, die Unternehmen müssen sich für die Vorstände selbst Ziele setzen und jedes Jahr öffentlich berichten, ob sie diese Ziele erreicht haben oder nicht.

Was erwarten Sie sich jetzt von der Bundesregierung?

Reding: Ich war in Vorbereitung meines Vorschlags in besonders engem Kontakt mit zahlreichen deutschen Christdemokraten im Europaparlament, in der Bundesregierung, im Bundestag sowie in den Landesregierungen und Landtagen, und ich habe nach Kräften dafür gesorgt, dass die EU-Quotenregelung eine deutlich christdemokratische Handschrift trägt - das wird jeder, der den Text in Ruhe liest, feststellen können. Ich freue mich daher auf die enge Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Quotenregelung in den kommenden Monaten.

Die schwarz-gelbe Koalition ist bisher nicht gesetzgeberisch tätig geworden. Können Sie das verstehen?

Reding: Das ist eine deutsche Entscheidung. Ich stelle nur fest, dass die Debatte über die Quote in Deutschland in vollem Gange ist. Und ich stelle auch fest, dass im Bundesrat ein Gesetz zur Frauenquote auf den Weg gebracht wurde - mitgetragen von CDU-regierten Ländern.

Wie bewerten Sie bei dem Thema die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Reding: Angela Merkel zeigt doch, dass Frauen ganz hervorragend managen können. Das Beispiel der Kanzlerin sollten sich die Unternehmen in Deutschland einmal zu Herzen nehmen. Wenn ich die Selbstverpflichtung der DAX-Unternehmen aus dem Jahr 2001 betrachte, bin ich tief enttäuscht: als Ende 2010 Bilanz gezogen wurde, war der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten gerade mal um zwei Prozent angestiegen. Das ist nicht im Sinne der deutschen Wirtschaft, denn auch deutsche Studien - zum Beispiel von der Deutschen Bank - zeigen, dass mehr Frauen in Führungspositionen zu einer besseren Gesamtleistung des Unternehmens beitragen können.