Familienministerin greift in Debatte um religiöse Beschneidungen bei Jungen ein. Zentralratspräsident kritisiert schroffen Ton.

Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) plädiert bei Beschneidungen für eine „angemessene Betäubung“ und für „Einhaltung ärztlicher Standards“. Diese Auffassung habe die Ministerin in einem Gespräch mit dem israelischen Oberrabbiner Yona Metzger und weiteren Rabbinern vertreten, berichtete ihr Sprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin.

+++Oberrabbiner Metzger hält Kompromiss für möglich+++

Die Ministerin sei nach dem Gespräch überzeugt, dass in der Kontroverse um Beschneidungen „eine gute und rasche Lösung“ gefunden werden könne. Oberrabbiner Metzger habe angekündigt, sich nach weiteren Gesprächen in Israel Gedanken über sachdienliche Hinweise für eine Lösung zu machen, sagte Steegmans. Metzger hatte am Vortag zwar die Möglichkeit einer medizinischen Fortbildung für jüdische Beschneider betont, sich aber zugleich gegen Betäubungen und eine generelle Übertragung der Beschneidung an Ärzte ausgesprochen.

In einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ warb Schröder dafür, religiöse Beschneidung und medizinische Anforderungen zu harmonisieren. „Ich erkenne in der jüdischen Religionspraxis durchaus Wege, eine maximale Schmerzfreiheit und ärztliche Standards mit den religiösen Vorschriften in Einklang zu bringen“. Die Ministerin: „Eine angemessene Betäubung bei der Beschneidung ist für mich ein sehr wichtiger Punkt.“

Unterdessen hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, den schroffen Ton in der Debatte kritisiert. Er sieht in der aktuellen Beschneidungsdebatte einen Toleranztest für die deutsche Gesellschaft. „Ich will daran glauben, dass wir diesen Test als Gesellschaft am Ende glanzvoll und würdevoll bestehen werden“, sagte Graumann der „Jüdischen Allgemeinen“. „Es wird eine Regelung geben, die klarstellt, dass die Beschneidung legal ist, daran habe ich gar keinen Zweifel. Versprochen ist versprochen. Die Resolution des Bundestages spricht hier eine klare Sprache.“

+++Kritik an Beschneidungen wird trotz Resolution lauter+++

Im schroffen Ton in der Debatte erkennt er „eine Form von Anklage und Belehrungsdenken“: „Es gibt kein einziges Land auf dieser Welt, in dem mit dieser schneidenden Schärfe und schroffen Unerbittlichkeit argumentiert wird von den geradezu besessenen Beschneidungsgegnern“, so der Zentralrats-Präsident. Jene, die die Brit Mila befürworten oder praktizieren, würden rüde auf die Anklagebank gesetzt und lauthals kriminalisiert. Diese schroffe, besserwisserische und bevormundende Art suche man vergeblich in allen anderen Ländern, wo ja zuweilen auch kritisch mit dem Thema umgegangen und diskutiert werde.

Zu der von einem hessischen Arzt erstatteten Strafanzeige gegen Rabbiner David Goldberg aus Hof sagte Graumann: „Der Vorgang zeigt, wie dringend wir eine rechtliche Regelung brauchen, die die Beschneidung aus religiösen Gründen weiterhin ausdrücklich erlaubt.“ In seiner Anzeige hatte sich der Arzt aus Hessen auf die umstrittene Entscheidung des Landgerichts Köln berufen. In ihrem Spruch vom 26. Juni werteten die Kölner Richter die religiöse Beschneidung von Jungen als Körperverletzung.

Der in die Schlagzeilen geratener Rabbiner im oberfränkischen Hof will Jungen auch künftig ohne Betäubung beschneiden. „Bislang gibt es kein Gesetz, das die Beschneidung verbietet“, sagte der 64-jährige David Goldberg am Mittwoch. Es gebe nur ein Urteil des Landgerichts Köln, das die religiös motivierte Beschneidung eines Jungen als strafbare Körperverletzung bewertete. Derzeit prüfen die Ermittler die „strafrechtliche Relevanz“ der Anzeige, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde.

Goldberg führt nach eigenen Angaben bis zu 30 Beschneidungen im Jahr an Kleinkindern durch und zieht auf Wunsch auch einen Arzt hinzu. Eine Betäubung der Kleinkinder lehnt er ab. Dies sei viel schädlicher, betonte er und fügte hinzu: „Die Kinder schlafen nach dem Eingriff immer wenige Minuten später friedlich ein.

+++Rabbinerkonferenz fordert klare Erlaubnis für Beschneidungen+++

Goldberg kündigte an, seinen Fall mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zu besprechen. In der Anzeige wird ihm unter anderem vorgeworfen, auf seiner Internetseite dazu einzuladen, „medizinisch nicht indizierte operative Genitaloperationen an nicht einwilligungsfähigen Säuglingen“ vorzunehmen. Hinter der Strafanzeige wegen Misshandlung und schwerer Körperverletzung vermutet der Rabbiner antisemitische Motive. Anders könne er sich das nicht erklären, sagte er.

Der Gießener Arzt Sebastian Guevara Kamm wies diesen Vorwurf als „üblichen Reflex“ zurück. „Ich sehe mich dem Schutz der Kinder verpflichtet, und das gilt nicht nur gegenüber rituellen Beschneidern, sondern auch gegenüber ärztlichen Kollegen“, betonte er auf Anfrage. Goldberg habe weder eine Zulassung als Arzt noch hinreichende medizinische Kenntnisse. Zudem führe er die Eingriffe an medizinisch ungeeigneten, unsterilen Plätzen durch.

Der Bundestag hatte im Juli mit breiter Mehrheit eine Resolution zur Legalisierung religiöser Beschneidungen verabschiedet. Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, „dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“. Das Bundesjustizministerium will bald einen Gesetzentwurf vorlegen.

Der israelische Oberrabbiner Yona Metzger hatte am Dienstag die Möglichkeit einer medizinischen Fortbildung für jüdische Beschneider betont. Zugleich sprach er sich gegen Betäubungen vor einer Beschneidung aus – und dagegen, die Aufgabe generell Ärzten zu geben. (dpa, ap, abendblatt.de)

(dpa, abendblatt.de)