CSU-Politiker hat Bedenken. Der Fall des Jungen, der die Beschneidungsdebatte ausgelöst hat, war medizinisch brisanter als bisher bekannt.

Berlin. Vertreter des Judentums appellieren an die Bundesregierung, die angekündigte Rechtssicherheit für religiöse Beschneidungen rasch umzusetzen. Dass die Regierung eine Klarstellung zugesagt habe, "ist ein wichtiges und positives Signal", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. Nun müssten Taten folgen. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz forderte eine ausdrückliche Legalisierung von Beschneidungen: Es reiche nicht, den Ritus nur straffrei zu stellen.

Der Fall des Jungen, der die Beschneidungsdebatte ausgelöst hat, war medizinisch brisanter als bisher bekannt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete, kam der Vierjährige zwei Tage nach der Beschneidung mit Nachblutungen in eine Kindernotaufnahme und musste unter Vollnarkose behandelt werden. Das Landgericht Köln hatte die Beschneidung des muslimischen Jungen als Körperverletzung gewertet . Dies war bei Vertretern von Juden und Muslimen, aber auch bei den Kirchen auf scharfe Kritik gestoßen. Am Freitag hatte die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung angekündigt, um den religiösenRitus weiter zu ermöglichen.

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Henry G. Brandt, der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland, schrieb in einem Gastbeitrag für "Bild am Sonntag": "Verantwortungsbewusste Beschneidungen müssen weitergehen dürfen - vollkommen legal und gesetzlich abgesichert." Straffreiheit reiche nicht aus. "Nur so kann Religionsfreiheit in Deutschland glaubwürdig Bestand haben." Dieter Graumann sagte der "Passauer Neuen Presse", er hoffe jetzt auf eine breite, parteiübergreifende Mehrheit für ein Gesetz im Bundestag.

Bedenken gegen eine gesetzliche Erlaubnis äußerte Thomas Silberhorn, CSU-Obmann im Bundestags-Rechtsausschuss. "Jede Ohrfeige" erfülle den Tatbestand der Körperverletzung, "also auch die männliche Beschneidung", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er plädierte stattdessen für eine Straffreistellung. "Ein Beispiel dafür bietet die Regelung der Abtreibung: Sie bleibt rechtswidrig, wird aber unter bestimmten Voraussetzungen nicht bestraft." Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will prüfen, ob sich eine Regelung zu Beschneidungen im Patientenrecht verankern lässt, und fügte hinzu: "Für mich ist die freie Ausübung der Religion ein ganz hohes Gut." Daher müssten Beschneidungen bei Juden und Muslimen als Ausdruck religiöser Selbstbestimmung straffrei bleiben.