Der israelische Großrabbiner äußert sich in Berlin zur Beschneidungs-Debatte. Erstmals Rabbiner in Bayern wegen Beschneidung angezeigt

Berlin/Hof. Der israelische Oberrabbiner Yona Metzger sieht in der Debatte über Beschneidungen in Deutschland Wege für einen Kompromiss. Hier praktizierende jüdische Beschneider, sogenannte Mohel, könnten eine ärztlich anerkannte medizinische Fortbildung erhalten, sagte Metzger am Dienstag in Berlin. Nach Angaben des Oberrabbiners praktizieren derzeit rund zehn jüdische Beschneider in Deutschland. Eine Beschneidung durch Ärzte oder eine weitergehende Betäubung des Säuglings lehnte er ab.

Schneider besucht derzeit für zwei Tage Deutschland und hat nach eigenen Angaben auch auf hoher politischer Ebene Gespräche über das umstrittene Kölner Beschneidungsurteil geführt. Der Bundestag hatte Mitte Juli mit großer Mehrheit eine Resolution zur Erlaubnis religiöser Beschneidungen verabschiedet. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, bis Herbst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Das Parlament reagierte damit auf ein Kölner Urteil, das die religiöse Beschneidung von Knaben als Körperverletzung gewertet hatte.

+++Kritik an Beschneidungen wird trotz Resolution lauter+++

Metzger hob auch auf den hohen Stellenwert der Beschneidung im jüdischen Glauben hervor: Als eines der 613 Gebote im Judentum sei die Entfernung der männlichen Vorhaut bei Säuglingen „mehr als ein Symbol“: „Von uns zu fordern, dieses Gebot zu ändern, heißt unsere Religion zu ändern.“ Das sei nicht akzeptabel, sagte Metzger, der die höchste Autorität des ashkenasischen Judentums ist, der aus Mittel- und Osteuropa stammenden Juden.

Die Beschneidung am achten Lebenstag, wie sie im Judentum vorgeschrieben ist, sei nachweislich am wenigsten schmerzhaft, erläuterte Metzger. Wenn das Kind durch diese Tradition ein Trauma erleide, wie nun teilweise behauptet werde, „wäre das Gebot nicht 4.000 Jahre lang eingehalten worden“. Jüdische Gebote würden ungültig, wenn sie Schaden verursachten. Daher sei zum Beispiel eine Beschneidung von Mädchen ausgeschlossen.

Zur Betäubung sagte Metzger, die jüdische Religion fordere eine größtmögliche Natürlichkeit bei der Beschneidung. Daher werde der Säugling mit einem Tropfen süßen Weins beruhigt. Eine künstliche Betäubung stünde im Widerspruch zur Religion. Gleichwohl seien bestimmte Puder und Sprays zur lokalen Betäubung entwickelt worden, die von manchen Beschneidern in Israel eingesetzt würden.

Wie am Dienstag bekannt wurde, ist im bayerischen Hof jetzt der Rabbiner der jüdischen Gemeinde wegen der Beschneidung von Kindern angezeigt worden. Der Leitende Staatsanwalt von Hof, Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt, bestätigte den Eingang einer entsprechenden Strafanzeige. Nach seinen Worten handelt es sich dabei vermutlich um die erste derartige Strafanzeige, mit der sich eine bayerische Justizbehörde befassen muss. Laut Schmitt wird derzeit noch geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Die Anzeige sei von einem Arzt aus Hessen gestellt worden, der sich auf eine Entscheidung des Landgerichts Köln berufe. In ihrem Spruch vom 26. Juni werteten die Kölner Richter die im Judentum und im Islam religiöse Beschneidung von Jungen als Körperverletzung. Das Urteil hatte in den vergangenen Wochen bundesweit eine kontroverse Debatte ausgelöst.

Der betroffene 64-jährige orthodoxe Rabbiner arbeitet seit 1997 in der Hofer Gemeinde. Als „diplomierter und qualifizierter Mohel“ hat der auf Beschneidungen spezialisierte Fachmann nach eigenen Angaben bereits weit mehr als 3.000 solcher Eingriffe vorgenommen. Bereits vor einigen Wochen hatte er in einer ersten Reaktion das Kölner Urteil als einen „antisemitischen Akt“ bezeichnet. Die Beschneidung („Brit Mila“) gilt im Judentum als eines der wichtigsten Gebote und Symbol für den Bund Gottes mit den Menschen.

(epd, abendblatt.de)