Europa einigt sich auf einen Kompromiss, nennt aber kaum konkrete Zahlen. Die Hilfe für die Entwicklungsländer fällt geringer aus.

Brüssel. Es gibt eine gemeinsame Position, und es gibt Zusagen. Die allerdings bleiben recht vage. Die 27 EU-Mitglieder werden in fünf Wochen in Kopenhagen beim Klima-Gipfel konkrete Zahlen nennen, die von den Industriestaaten als Finanzhilfen für die Entwicklungsländer aufgebracht werden müssen. Allerdings beruhen diese auf Schätzungen der EU-Kommission und haben so einen unverbindlichen Charakter. Die Union macht keine konkrete Ansage, wie hoch ihr Beitrag sein soll - bis auf eine Ausnahme: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, Europa werde etwa ein Drittel der Kosten schultern müssen, die ab 2020 auf die ärmeren Staaten im Klimakampf zukommen.

Die Schätzungen dazu belaufen sich auf rund 100 Milliarden Euro - pro Jahr. Zwischen 22 und 55 Milliarden Euro, eine breite Marge also, sollen aus Mitteln der öffentlichen Hand kommen, der Rest von Unternehmen. Die EU-Kommission schätzt den auf Europa entfallenden Beitrag auf bis zu 15 Milliarden Euro jährlich. Deutschland würde nach jetziger Lastenverteilung rund 20 Prozent, also rund drei Milliarden Euro, übernehmen.

Damit ging die deutsche Regierungschefin einen großen Schritt auf die EU-Partner zu, insbesondere auf Großbritannien. Noch am Freitagmorgen hatte sie mit dem britischen Premier Gordon Brown eine Diskussion unter vier Augen. London wollte in Kopenhagen möglichst konkrete Zahlen auf den Tisch legen, um Druck insbesondere auf die USA und China zu üben.

Merkels Position aber ging in die andere Richtung: Am liebsten hätte die Bundesregierung gar keine Angaben über die notwendige Finanzierung gemacht und sich darauf berufen, dass alle Industrieländer "einen fairen Anteil" beim Klimaschutz leisten müssten. Berlin vertritt die Ansicht, dass Europa von den anderen Industrienationen keine Zugeständnisse bekommt, je mehr Geschenke es auspackt. Zudem ist die Kanzlerin pessimistisch, ob das Treffen in Kopenhagen überhaupt Ergebnisse zeitigen wird. "Wir wollten mal in Kopenhagen ein Abkommen schaffen mit Paragrafen und allem", sagte sie über die geplante Nachfolgeregelung für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll.

Am Ende fand die Deutsche trotzdem mit dem Briten eine Einigung. Die Schlussfolgerungen nennen die nötigen Finanzmittel, lassen aber große Spielräume und bedeuten keine verbindlichen Finanzzusagen. Dass Merkel in der abschließenden Pressekonferenz doch noch konkret wurde und Europas Anteil auf ein Drittel bezifferte, werten Beobachter als Taktik. Die EU will unbedingt die US-Regierung für den Klimaschutz mit an Bord nehmen. "Ich kenne niemanden, der sagt, wir geben ein Drittel", fügte sie hinzu.

Damit zielte sie auf ihren Besuch in Washington am kommenden Montag ab, wo sie mit US-Präsident Barack Obama vor allem das Thema Klimapolitik besprechen will. Auch die Ratspräsidentschaft der EU reist kommende Woche nach Washington zum Gipfeltreffen. Schwedens Premier und amtierender EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt betonte in Brüssel, "die EU hat jetzt ein Mandat, eine starke Position mit Blick auf Kopenhagen - die EU ist noch immer führend beim Klimaschutz". Zudem einigte man sich in Brüssel auf eine Anschubfinanzierung durch die EU-Staaten von 2010 bis Ende 2012, die sich auf etwa fünf bis acht Milliarden Euro beläuft.

Zuvor hatte Reinfeldt Polen und andere neue EU-Länder in den Beichtstuhl gerufen. Neun Länder hatten sich im Vorfeld des Gipfels zusammengetan, weil sie mit Hinweis auf ihre derzeitige Wirtschaftslage finanzielle Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht mitmachen wollten. Warschau forderte, dass die Bemessung der Beiträge sich nicht an den Emissionen, sondern an der Wirtschaftskraft Einzelner orientieren müsse. Dies lehnt Deutschland neben anderen ab.

Der Rat kam den Osteuropäern entgegen, indem er die geplante Anschubfinanzierung zur freiwilligen Sache erklärte. Nach dem Kopenhagener Gipfel soll sich eine Arbeitsgruppe damit beschäftigen, wie die künftig anstehenden Kosten unionsintern verteilt werden sollen. Dass erst nach Kopenhagen über den internen Verteilungsschlüssel gesprochen werden soll, ist zugleich Brüsseler Verhandlungstaktik. Die Union will erst abwarten, welchen globalen Schlüssel andere Industrienationen vorschlagen.