Nach einem Zeitungsbericht soll Verena Becker für Hinweise mehr als 100.000 Mark vom Verfassungsschutz bekommen haben.

Berlin. Steht nur noch eine bürokratische Hürde vor neuen Erkenntnissen über eine blutige Ära der bundesdeutschen Geschichte? Die Bundesanwaltschaft hat die brisanten Akten zur ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker angefordert. Das Bundesinnenministerium – Minister ist Wolfgang Schäuble (CDU) – will den Antrag der Bundesanwaltschaft auf Freigabe von Verfassungsschutzakten „prüfen". Von den Geheimakten erhofft sich die Bundesanwaltschaft Hinweise auf eine mögliche Beteiligung Beckers an dem Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Frühjahr 1977.

Becker war wegen Verdachts der Beteiligung an dem 32 Jahre zurückliegenden Mord an Buback und seinen Begleitern in der vergangenen Woche verhaftet worden. Die Verfassungsschutzakten sind nach Angaben des Innenministeriums mit einem Sperrvermerk versehen und dürfen deshalb nicht vor Gericht verwendet werden. Die Akten enthalten Berichte von Informanten, denen eine Geheimhaltung zugesichert worden sei, sagte der Ministeriumssprecher.

Der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum (1978-1982) verlangte, das Votum von Innenminister Schäuble unbedingt zu respektieren. Dagegen forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, Schäuble auf, die Akten schnell freizugeben, damit die Wahrheit endlich herauskomme. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Staat etwas zu verbergen hat“, sagte Wiefelspütz. Notfalls müsse man Schäuble zur Freigabe zwingen.

Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker soll für ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz mehr als 100 000 Mark (ca. 50 000 Euro) erhalten haben. Das berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf den ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Winfried Ridder. Dieser wird auch in einer ARD-Dokumentation über die Mörder des früheren Generalbundesanwalts Siegfried Buback interviewt, die am heutigen Mittwochabend gesendet wird. Eine Bezahlung sei in solchen Fällen üblich, wird Ridder zitiert. Doch soll sie nach anderen Hinweisen nicht auf Buback geschossen haben.

Laut „Bild“-Zeitung sollen sich Mitarbeiter des Verfassungsschutzes mit Becker insgesamt fünfmal in einer konspirativen Wohnung in Köln getroffen haben. Sie soll dem Verfassungsschutz Hinweise zur Festnahme der Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar gegeben haben. Dem Bericht zufolge informierte sie den Verfassungsschutz möglicherweise auch über Sprengvorrichtungen der RAF und über sogenannte Vollversammlungen der RAF-Kommandoebene, bei denen festgelegt wurde, wen die RAF als Nächsten ermorden wollte.

Zudem soll sie Stefan Wisniewski als den Todesschützen beim Buback-Attentat benannt haben. Becker war am vergangenen Freitag in Untersuchungshaft genommen worden. Sie soll nach neuen Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft an dem Mornd an Buback und seinen beiden Begleitern in der Karlsruher Innenstadt am 7. April 1977 beteiligt gewesen sein.

Nicht nur sie hat Wisniewski als Todesschützen beim Buback-Attentat genannt. Auch der ARD-Autor Egmont R. Koch hält den früheren RAF-Terroristen Wisniewski für den wahrscheinlichen Schützen auf dem Tatmotorrad. „Ich habe bei meiner Arbeit an dem Film keinen Anlass gefunden, an der Aussage von Frau Becker zu zweifeln“, sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zudem sei der bisher verdächtigte Knut Folkerts Linkshänder, die Schüsse sollen nach Zeugenaussagen aber von der rechten Seite her abgegeben worden sein. Koch bezweifelt die Aussagen mehrerer mutmaßlicher Tatzeugen, auf die Buback-Sohn Michael seine Theorie einer weiblichen Schützin baut. „Er hat sich in einer Verschwörungstheorie verrannt und ist beratungsresistent“, sagte Koch über Buback, der seit Jahren auf eigene Faust ermittelt.