Sie sitzt in Untersuchungshaft, doch reden wird sie vermutlich nicht. Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker soll doch am Buback-Mord beteiligt gewesen sein. Was steht in den geheimen Akten des Verfassungssschutzes?

Hamburg/Berlin. Nach der Festnahme der Ex-Terroristin Verena Becker wird die Freigabe bislang gesperrter Geheimdienstakten zum Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 32 Jahren gefordert. Die Umstände des von RAF-Terroristen am 7. April 1977 verübten Attentats auf Buback und seine Begleiter sind nach wie vor ungeklärt. Bubacks Sohn Michael sowie Politiker von Union und FDP erhoffen sich Hinweise von den unter Verschluss gehaltenen Akten des Verfassungsschutzes. Sie fordern Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die Akten freizugeben. Das Ministerium lehnte dies bislang ab.

Becker war am Freitagabend in Untersuchungshaft genommen worden. Sie soll an dem Anschlag auf Buback in der Karlsruher Innenstadt beteiligt gewesen sein. Die Verhaftung der 57-Jährigen geht nach einem Bericht des „Spiegel“ auf handschriftliche Aufzeichnungen zurück, die Ermittler bei der Durchsuchung ihrer Berliner Wohnung fanden. In diesen Notizen habe sie sich gefragt, ob sie für Buback beten und wie sie sich mit dem Thema Schuld auseinandersetzen solle. Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge soll sich Becker, die von den Beamten zunächst nicht zu Hause angetroffen wurde, selbst gestellt haben. Laut Berliner „B.Z.“ wurde sie in der Kanzlei ihres Anwalts verhaftet.

Die Bundesanwaltschaft wirft Becker vor, „wesentliche Beiträge zur Vorbereitung und Durchführung des Anschlags“ geleistet zu haben. Die Ermittler fanden ihre DNA-Spuren an Briefumschlägen, mit denen damals die Bekennerschreiben versandt worden waren. Es gebe aber nach wie vor keine Beweise, dass sie die tödlichen Schüsse abgefeuert hat. Becker war seinerzeit nach einer Schießerei mit Polizisten wegen sechsfachen Mordversuchs und räuberischer Erpressung zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Nach vier Jahren Haft kooperierte sie mit dem Verfassungsschutz. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ soll sie dafür Geld erhalten haben. 1989 gab Bundespräsident Richard von Weizsäcker einem Gnadengesuch Beckers statt. Sie wurde an dem Tag entlassen, als der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, bei einem RAF-Attentat getötet wurde.

Michael Buback hält seit langem Becker für die Todesschützin und beruft sich auf mehrere Zeugen, die sich an ihn gewandt hätten. Becker hat dies zuletzt vor wenigen Tagen bestritten. 1982 soll sie dem Verfassungsschutz Stefan Wisniewski als Täter benannt haben. Verurteilt wurden seinerzeit die RAF-Mitglieder Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt.

Für seine Forderung nach Aktenöffnung erhält Buback mittlerweile Unterstützung von der Politik. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte dem Hamburger Abendblatt: „Sonst setzt man sich dem Vorwurf der Vertuschung aus.“ Auch der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum (1978 bis 1982) unterstützte die Forderung. Wenn es dem Fortgang der Ermittlungen diene, sollten die Akten zugänglich gemacht werden, sagte er der „Welt am Sonntag“. Er gestand Schäuble aber einen Entscheidungsspielraum zu, wenn es um Quellenschutz und die Zusammenarbeit der Geheimdienste gehe.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach meinte, der Vorwurf, der Staat halte Akten zurück und die Tat könne deshalb nicht restlos aufgeklärt werden, sei massiv. „Der Vorwurf muss entkräftet werden“, sagte er im ZDF. Er sei sicher, dass Schäuble das „sehr, sehr sorgfältig prüfen wird“.

Das Innenministerium hält weiter an der Sperrung fest. Die derzeitigen Ermittlungen böten keinen Anlass, die Akten zu öffnen, sagte Schäuble-Sprecher Stefan Paris. Die Bundesanwaltschaft hatte bislang keine Einsicht verlangt. Sollte dies geschehen, werde man das prüfen. Das Ministerium gab im Januar 2008 eine Sperrerklärung gemäß Paragraf 96 der Strafprozessordnung ab. Danach kann die Auslieferung von Akten bei Behörden unterbunden werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, dass die Veröffentlichung „dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“.

Laut Ministerium hat der Verfassungsschutz Anfang 1982 einzelnen Vertretern der Bundesanwaltschaft seine Erkenntnisse zu Verfügung gestellt mit dem Hinweis, dass die Dokumente nicht gerichtsverwertbar seien. Nachdem im April 2007 die Unterlagen nicht mehr auffindbar gewesen seien, habe man der Bundesanwaltschaft sofort eine Ablichtung eines Auswertungsvermerkes überlassen.