Fast zehn Millionen Deutsche trinken Alkohol in riskanter Form. Die Tendenz beim Konsum ist leicht rückläufig. International aber liegt Deutschland vorn.

Berlin. Eine gute Entwicklung, aber noch kein Grund zur Entwarnung: So lassen sich die Ergebnisse des jüngsten Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung zusammenfassen. Denn Koma-Saufen gehört bei vielen Jugendlichen in Deutschland immer noch dazu. Trauriger Rekord: Mehr als 23 000 Kinder wurden 2008 teils bis zur Bewusstlosigkeit betrunken ins Krankenhaus gebracht. Mehr als 20 Prozent der Minderjährigen waren mindestens einmal im Monat betrunken, sagte die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD). 2007 waren es 25 Prozent gewesen.

Unter dem Strich sei bei Alkohol, Tabak und Cannabis zwar das festgelegte Ziel erreicht worden, die Konsum-Quoten bei Jugendlichen zu senken. So hätten 2001 noch 28 Prozent der Minderjährigen geraucht - 2008 seien es nur noch 15,4 Prozent gewesen. Beim Alkohol sank der Wert von 21,2 auf 17,4 Prozent. Zu Cannabis griffen noch 2,3 Prozent der Jugendlichen. Allerdings beruhen alle diese Zahlen auf Telefonumfragen, sodass deren Aussagekraft als fraglich gilt. Inzwischen habe man Experten zu Rate gezogen, "um zu prüfen, ob die Methode noch zeitgemäß ist", sagte ein Sprecher Bätzings.

Weitere Ergebnisse des Berichts: In Deutschland trinken fast zehn Millionen Menschen Alkohol in riskanter Form. Zehn Liter reiner Alkohol nimmt ein Bundesbürger pro Jahr durchschnittlich zu sich. Rund 1,3 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. Die Tendenz beim Alkoholkonsum ist zwar leicht rückläufig. Deutschland liegt aber nach Angaben aus dem Drogenbericht im internationalen Vergleich weiter unter den Top Ten. Die Zahl der Drogentoten stieg im Jahr 2008 auf 1449 Menschen. Bätzing sprach sich angesichts der hohen Zahl vor allem älterer Opfer erneut dafür aus, Schwerstabhängige mit künstlichem Heroin zu versorgen. Alles andere wäre "ethisch wie christlich verwerflich". Sie unterstützt einen entsprechenden Gruppenantrag von SPD-Abgeordneten, Grünen, FDP und Linken. Bei dem Thema ist der Koalitionspartner Union bisher konträrer Meinung.

Bätzing kritisierte die Union wegen der Ablehnung der Aktionsprogramme zur Tabak- und Alkoholprävention. Jedes einzelne Element der Pläne sei abgestimmt worden. Änderungswünsche wurden aufgenommen: Die ursprünglichen Vorschläge des Nationalen Drogen- und Suchtrates nach einer Promillegrenze im Autoverkehr von 0,2 und einem Alkoholverbot an Tankstellen waren im aktuellen Entwurf nicht mehr enthalten. Die Wirkung höherer Steuern bei Bier und Wein auf den Konsum sollte nur noch geprüft werden. Trotzdem stellten sich die Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nun gegen das Vorhaben - aus Wahlkampf-Gründen, so die SPD-Politikerin.

Dem widersprach ein Sprecher der Familienministerin: Viele Teile der Aktionsprogramme hätten "lediglich prüfenden und empfehlenden Charakter". Außerdem seien sie mit den Beteiligten nicht ausreichend abgestimmt. "Das reicht qualitativ für eine nationale Initiative der Bundesregierung nicht aus." Dennoch will die Drogenbeauftragte nicht aufgeben, ehe die Legislaturperiode im Herbst vorbei ist: "Wir werden nochmals mit dem Koalitionspartner Gespräche führen."

Für die Zukunft sieht Bätzing eine neue Krankheit als Gefahr: die Online-Sucht. Bis zu sieben Prozent der Bundesbürger sollen abhängig sein von Internet und Computer-Spielen. Sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern sei es wichtig, die Medienkompetenz zu stärken, urteilte die Politikerin.