Berlin. Er heißt Lukas. Er ist sechzehn. Und er schwebt seit mehr als zwei Wochen in Lebensgefahr. Lukas hatte keinen Unfall der üblichen Art - er hat sich ins Koma getrunken.

Man weiß nicht viel von Lukas W. Gymnasiast soll er sein, und aus Zehlendorf soll er kommen. Einem gutbürgerlichen Stadtteil im Südwesten Berlins.

Fest steht, dass Lukas W. vier Promille Alkohol im Blut hatte, als er am 25. Februar in der Cocktailbar EyeT zusammenbrach. Dass ihm jemand irgendwann in dieser Nacht mit Kugelschreiber den Satz "Du hast verloren!" auf den Bauch kritzelte, weiß man hingegen nur von Hörensagen.

Allerdings gibt es noch einen anderen Hinweis darauf, dass Lukas W. bei einem sogenannten "Kampftrinken" oder "Komasaufen" mitgemacht hat. Bevor er im EyeT kollabierte, hat der Sechzehnjährige die Zahl der Tequilas, die er getrunken hatte, offenbar selbst genannt. Die Polizei hat sich dazu nicht geäußert. Die Angaben der Boulevardzeitungen schwankten später zwischen 45 und 52.

Das EyeT liegt am Spandauer Damm, unmittelbar neben dem Charlottenburger Schloss. Ein Tequila kostet da drei Euro. "Bei Geburtstagsfeiern ab 30 Personen", wirbt Aytac G., "trinkt das Geburtstagskind den ganzen Abend umsonst." Lukas hatte nicht Geburtstag, aber eine Geburtstagsfeier hat in jener Nacht im EyeT stattgefunden. Das hat die Berliner Polizei bestätigt. Andererseits beteuert Aytac G., Lukas sei erst spät nachts in seine Bar gekommen, "um Freunde abzuholen".

Was für Freunde? Mitschüler von Lukas sollen am 25. Februar auch im EyeT gewesen sein.

Zurzeit waschen alle ihre Hände in Unschuld. Die Mutter, die Anzeige gegen unbekannt erstattete, Aytac G., der behauptet, Lukas hätte bei ihm "nur ein kleines Bier" bestellt ("Ich habe ihn nicht zum Trinken angestiftet!"), die Politik, die klagt, es gebe ja Gesetze, aber die würden nicht eingehalten, und für effektive Kontrollen fehle leider das Personal.

Die Berliner Gesundheitsbehörde stellte fest, dass in diesem Fall mehrfach gegen geltendes Recht verstoßen worden sei. Generell dürfe nämlich kein Alkohol an offensichtlich Betrunkene ausgeschenkt werden, und Jugendliche unter 18 Jahren dürften sich nach 24 Uhr auch in keiner Bar mehr aufhalten.

Die Berliner Gesundheitsbehörde führt über den Alkoholmissbrauch von Jugendlichen eine Statistik. Die weist aus, dass im Jahr 2000 in Berlin 156 Jugendliche zwischen zehn und zwanzig Jahren mit einem "akuten Rausch" ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dass es fünf Jahre später bereits 274 waren. Man hoffe, so eine Behördensprecherin nicht gerade überzeugend, "dass der dramatische Fall des jungen Mannes dazu beiträgt, über Alkohol als gesellschaftlich akzeptierte Droge zu diskutieren".

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Zustand von Lukas ist unverändert. Die Polizei hat ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen unbekannt eingeleitet. Sie sagt: "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Junge zum Trinken gezwungen worden ist."