In dem Streit um die Speicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten gibt es keine Bewegung. Jetzt läuft eine EU-Frist aus.

Berlin. Auch fast 22 Monate nach dem Karlsruher Urteil ist der Dauerkonflikt um die Speicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten zur Strafverfolgung nicht vom Tisch. Mehr noch: der Streit wird die Bundesregierung auch in das neue Jahr begleiten. Das Urteil besagte, dass die Vorratsdatenspeicherung neu geregelt werden muss. Nun lief am Dienstag eine von Brüssel gesetzte Frist für eine Neuregelung aus. Dennoch gibt sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gelassen. Die Ministerin will die Daten nur nach konkreten Anhaltspunkten für Straftaten speichern lassen ("Quick Freeze“). Das geht der Union nicht weit genug.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte bereits im März 2010 die bis dahin geltende Vorratsdatenspeicherung, die eine sechsmonatige Speicherung vorsah, gekippt. Der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, pocht auf eine schnelle Neuregelung. Der "Bild“ (Dienstag) sagte er: "Die Strukturen organisierter und terroristischer krimineller Netzwerke können angesichts fehlender Vorratsdaten nicht aufgedeckt, schwere Straftaten nicht aufgeklärt werden.“ Es gebe "reale Sicherheitslücken“, die geschlossen werden müssten.

Nach "Bild“-Angaben wurden seit dem Urteil 5500 Auskunftsersuchen an Telefon-, Handy- oder Internet-Anbieter gestellt. In mehr als 80 Prozent habe es keine Antwort gegeben. Der Unions-Innenexperte, Hans-Peter Uhl (CSU) gab Leutheusser-Schnarrenberger indirekt eine Mitschuld an Verbrechen wie Kinderpornografie im Internet. "Wer die fortgesetzte Darstellung des sexuellen Verbrechens an Kindern nicht wirksam bekämpft, macht sich schuldig“, sagte er der Zeitung.

Ende Oktober hatte die EU-Kommission Deutschland eine Frist von zwei Monaten gesetzt, um die EU-Richtlinie zur Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten für die Strafverfolgung umzusetzen. Die EU-Behörde hatte eine begründete Stellungnahme verschickt. Nun kann die EU-Kommission gerichtlich vorgehen. In dem sogenannten Vertragsverletzungsverfahren kann die EU-Behörde Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. In letzter Konsequenz kann das Gericht millionenschwere Zwangsgelder verhängen. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte aber am Dienstag auf Anfrage in Brüssel, über das weitere Vorgehen sei noch nicht entschieden.

Leutheusser-Schnarrenberger verwies darauf, dass insgesamt mehr als 50 Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel gegen Deutschland anhängig seien – „nicht in meinem Bereich, sondern in vielen anderen Bereichen, in unionsgeführten Häusern der Bundesregierung“. Die Ministerin erinnerte auch daran, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung derzeit überarbeitet wird. Mehr als fünf EU-Länder hätten die Richtlinie bislang nicht umgesetzt. "Diese Richtlinie ist gescheitert, und deshalb nehmen wir an dem Evaluierungsprozess teil“, sagte die FDP-Politikerin.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte der Nachrichtenagentur dpa, viele Unternehmen speicherten die Telefondaten bereits ohne zusätzliche gesetzliche Regelung über mehrere Wochen, größtenteils sogar über Monate. Anders sei dies bei Internet-Verbindungsdaten. Hier habe er sich bereits seit längerem für eine "Quick-Freeze-Plus“-Lösung ausgesprochen, sagte Schaar, also dafür, dass diese Daten ein oder zwei Wochen gepuffert werden. Die Strafverfolgungsbehörden hätten bei einem solchen Verfahren eine echte Möglichkeit, die Daten bei Bedarf einzufrieren, um sie – wenn nötig – zur Verfolgung schwerer Straftaten zu verwenden. (abendblatt.de/dpa)