Nach Neonazi-Morden ruft Innenminister Friedrich nach Speicherung der Vorratsdaten. FDP will Sicherheitsbehörden umbauen.

Berlin. Die Vorstellungen Innerhalb der Bundesregierung driften in der Debatte über Konsequenzen aus den Neonazi-Morden zunehmend auseinander. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sieht in den Anschlägen den Beleg für die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Dagegen erteilte der Koalitionspartner FDP diesen Plänen umgehend eine Absage. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte vor voreiligen Schritten und forderte eine neue Sicherheitsarchitektur.

Die Vorratsdatenspeicherung sei "keine fixe Idee von Sicherheitsfanatikern“, sondern "ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Terroristen und Schwerverbrecher“, sagte Bundesinnenminister Friedrich in einem vorab veröffentlichten Interview der "Welt am Sonntag“. Der CSU-Politiker argumentierte, "sowohl beim Aufspüren islamistischer Zellen als eben auch hier bei der Zwickauer Zelle zeigt sich die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung“.

Der CSU-Politiker rief zugleich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf, ihren Widerstand gegen die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten aufzugeben. "Unsere Sicherheitsbehörden müssen ... mit den Instrumenten ausgestattet werden, die es ihnen erlauben, den Feinden unserer freiheitlichen Grundordnung auf die Spur zu kommen“, sagte er. Daten über Rechtsextremisten sollten zudem künftig 15 Jahre und nicht wie bislang nur fünf oder zehn Jahre gespeichert werden.

Bei FDP und Opposition stieß Friedrichs Vorstoß zur Vorratsdatenspeicherung umgehend auf Widerstand. "Wir wollen mehr Sicherheit, auch im Internet, aber wir wollen nicht, dass der Staat seine Bürger pauschal verdächtigt“, sagte FDP-Chef Philipp Rösler der "Mittelbayerischen Zeitung“. Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Berlin: "Es hilft niemandem, mitten in der Aufklärungsphase reflexhaft alte Maximalforderungen zu stellen, die vom eigentlichen Problem des Behördenversagens ablenken“. Die Linke sprach von einem "Zeugnis der Hilflosigkeit“. Für Unmut sorgte zudem die Besetzung von Friedrichs Expertenkommission.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger warnte angesichts zunehmender Rufe nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren vor Schnellschüssen. "Wer jetzt den Kampf gegen den Rechtsextremismus auf ein Verbot der NPD begrenzt, der greift zu kurz“, sagte sie. Zunächst gelte es, "die bestehenden Gesetze mit aller Macht anzuwenden – gerade weil das in der Vergangenheit in einer unbeschreiblichen Fehlerserie nicht passiert ist“, sagte sie.

Die CSU forderte eine Reform der staatlichen Parteienfinanzierung. Die rechtsextreme NPD dürfe sich nicht mit Staatsgeldern finanzieren, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der „Bild am Sonntag“. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) solle mit einer Initiative dafür sorgen, dass 2012 kein Geld mehr an die NPD fließe, forderte er.

Nach anhaltender Kritik an ihrer Strategie gegen den Rechtsextremismus wies Familienministerin Schröder entsprechende Vorwürfe zurück: "Es ist abstrus von der Opposition, mir zu unterstellen, ich würde die Arbeit gegen Rechtsextremismus relativieren, nur weil ich neue Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus entwickelt habe“, sagte die CDU-Politikerin in der "Welt“ (Sonnabendausgabe). Die Ministerin bestritt zudem, dass die Mittel gegen Rechtsextremismus ursprünglich gekürzt werden sollten.

Wie der "Tagesspiegel“ am Sonnabend berichtete, soll das Bundesamt für Verfassungsschutz gegenüber den Landesämtern gestärkt werden. Die Staatssekretäre der Innenministerien der Länder hätten beschlossen, dass jede Landesbehörde für Verfassungsschutz sämtliche Meldungen über rechtsextreme Gewalt dem Bundesamt in Köln vorlegen muss. Die Vereinbarung gelte ab sofort, hieß es in dem Bericht.

Von Viktoria Bittmann