EU-Kommission mahnt, Deutschland sei in der Pflicht, die Richtlinie zur Datenspeicherung korrekt umzusetzen. Hohe Geldstrafe droht.

Hannover/Berlin/Brüssel. Die EU-Kommission erinnert Deutschland an seine Pflicht, die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung "korrekt" umzusetzen. „Die Tatsache, dass die Kommission derzeit die Richtlinie überarbeitet, entlässt Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten keineswegs aus der Pflicht, die derzeit gültige Richtlinie korrekt umzusetzen“, sagte ein Kommissionssprecher am Donnerstag in Brüssel. Seit Monaten streitet die Bundesregierung über die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Am Mittwochabend lief eine Frist ab, innerhalb derer Deutschland eine Stellungnahme zur fehlenden Umsetzung der EU-Richtlinie abgeben musste. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums wurde das Dokument am Dienstag nach Brüssel übermittelt. Falls die Kommission damit nicht zufrieden ist, drohen Deutschland ein Gerichtsverfahren und hohe Strafzahlungen. Zugleich schwelt der koalitionsinterne Zwist um die Speicherung weiter.

+++Kommentar: Freiräume schützen+++

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist für die Neuregelung zuständig . Sie argumentiert aber, es sei den Bürgern in Deutschland nicht vermittelbar, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die sich noch in der Überarbeitung befindet. Die Richtlinie sieht derzeit vor, dass die Telefon- und Internet-Verbindungsdaten aller Bürger mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre lang pauschal zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Neben Deutschland haben auch mehrere andere EU-Staaten die Richtlinie nicht umgesetzt.Deutschland droht nun eine Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof.

Eine Verurteilung könnte eine erhebliche Geldstrafe nach sich ziehen. Die Höhe ist unklar. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU ist die Rede von einem „Pauschalbetrag oder Zwangsgeld“ in einer Höhe, „die (die Kommission) den Umständen nach für angemessen hält“. Sie richtet sich in der Regel nach dem Bruttosozialprodukt des jeweiligen Mitgliedstaates und nach der Schwere des Vergehens. Einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), wonach die Strafe zwischen 13.000 und 823.000 Euro am Tag betragen könnte, wollte das Bundesjustizministerium am Donnerstag nicht bestätigen. Im Verfahren wegen des VW-Gesetzes hatte die EU-Kommission im November angekündigt, sie wolle vor dem EuGH durchsetzen, dass Deutschland für jeden seit dem ersten Urteil vergangenen Tag 31.000 Euro und bis zur endgültigen Umsetzung einer EU-konformen Regelung 282.000 Euro pro Tag zahlen muss. Das wären insgesamt mehr als 45 Millionen Euro.

In einem Schreiben vom 23. Dezember an die EU-Kommission rechtfertigt die Bundesregierung ihr Verhalten: Darin heißt es, die EU-Richtlinie sei zumindest „teilweise“ umgesetzt worden. Ein weiterer Schritt zur Umsetzung sei der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Diskussionsentwurf des „Quick-Freeze“-Verfahrens. Danach sollen Daten nur nach konkreten Anhaltspunkten für eine Straftat gespeichert werden. In dem Schreiben, über das auch die „FAZ“ berichtete, wird auf zwei Ressortbesprechungen zu dem Diskussionsentwurf verwiesen – zuletzt auf eine vom 5. Dezember. „In dieser Ressortbesprechung konnten mehrere technische und rechtliche Fragen zwischen den beteiligten Bundesministerien geklärt werden“, heißt es in dem Schreiben. Die Bundesregierung gehe daher davon aus, dass die Beratungen zu dem Gesetzentwurf „auch weiterhin zügig vorangehen“ und „alsbald eine Befassung des Bundeskabinetts und der gesetzgebenden Körperschaften“ erfolgen könne.

Tatsächlich sind das Innen- und das Justizministerium aber weit von einer Einigung entfernt: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und anderen Unionspolitikern geht „Quick Freeze“ nicht weit genug. Niedersachsen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte im Sender NDR Info: „Die Praxis sagt, dass wir seit eineinhalb Jahren absolute Probleme haben, bei Schwerkriminalität auch erfolgreich zu sein, und insofern ist die Bundesjustizministerin absolut säumig. Ich wäre sehr froh, wenn wir sechs Monate speichern könnten.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, mahnte, sich von der abgelaufenen Frist nicht bangemachen zu lassen. „Die EU-Kommission hat Niedersachsen beziehungsweise die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil das VW-Gesetz nicht europakonform ist. Wir würden deswegen nicht auf die Idee kommen, das VW-Gesetz in Deutschland zu ändern“, sagte er NDR Info.

Mit Material von dpa/dapd