Der Staat muss Neonazi-Gewalt so ernst nehmen wie die RAF, sagt der Politologe Greven

Berlin. Im Interview mit dem Abendblatt erklärt Politikwissenschaftler Professor Michael Th. Greven von der Uni Hamburg, wie und wo es zu rechtsextremer Gewalt kommen kann.

Hamburger Abendblatt:

Wie ausgeprägt ist hierzulande das rechtsextreme Milieu?

Michael Th. Greven:

Vor allem in den östlichen und nordöstlichen Bundesländern haben wir ein sehr ausgeprägtes rechtsextremes Milieu. Hier kann es in ländlichen Gebieten schon zu einer richtigen Dominanz kommen. In Großstädten und auch in Hamburg hat es der Rechtsextremismus dagegen schwerer.

Inwiefern ist die NPD mit gewaltbereiten Untergrund-Gruppen verstrickt?

Greven:

Die Fragen muss jetzt der Verfassungsschutz beantworten. In jedem Fall propagiert die NPD ein ideelles Gedankengut, das als Rechtfertigung für Gewalttaten von Menschen im Untergrund genutzt wird.

Ist ein neues NPD-Verbotsverfahren sinnvoll?

Greven:

Das gesellschaftliche Problem, auf das der Rechtsextremismus für manche eine Antwort ist und wohl auch die Gruppe wie die aus Thüringen angetrieben hat, ist nicht mit Parteienverboten zu bekämpfen. Das ist keine nützliche Lösung, um dieses Milieu auszutrocknen.

Was ist das Motiv gewaltbereiter Rechtsextremer?

Greven:

Für die Wissenschaft ist die Frage offen, ob das Gedankengebräu aus Ausländerhass, Demokratiefeindlichkeit und vielen anderen ideologischen Versatzstücken zu Gewalt animiert oder ob ohnehin gewaltbereite Menschen hierdurch eine Rechtfertigung finden, Gewalt auszuüben.

Wo ist die Gefahr besonders groß?

Greven:

In Regionen, in denen Jugendliche nur geringe Chancen zum Aufstieg haben, wächst die rechtsextreme Gefährdung. Besonders wenn Jugendliche selbst vorher Gewalterfahrungen machen mussten.

Im aktuellen Fall ist mit Beate Z. auch eine Frau beteiligt. Was zieht Frauen in die rechtsextreme Szene?

Greven:

Manche Frauen fühlen sich durch das Milieu und die Männer darin angezogen, nicht aber durch die tatsächliche Gewaltausübung. Daran sind sie meistens nicht beteiligt. Bei der RAF war das übrigens ganz anders. Die staatlichen Dienste sollten die Situation jedoch genauso ernst nehmen wie in den 60er- und 70er-Jahren den Linksterrorismus.