Saarlands Regierungschef Peter Müller bleibt bei seinem Nein zur Steuerreform. Im Abendblatt-Interview erklärt er warum.

Berlin. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) warnt die Bundesregierung vor Kompetenzüberschreitung und übt scharfe Kritik am Bildungsgipfel, weil er die Kulturhoheit der Länder bedroht sieht.

Hamburger Abendblatt: Herr Ministerpräsident, werden Sie den Steuersenkungen am Freitag im Bundesrat zustimmen?

Peter Müller: Nach gegenwärtigem Stand muss das Saarland Nein zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz sagen. Wir haben uns verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. Das ist eine riesige Herausforderung, die wir nur bewältigen können, wenn wir keine zusätzlichen Belastungen zu tragen haben. Geht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz morgen durch, dann verlieren wir jährlich 40 Millionen Euro an Steuereinnahmen. Das kann das Saarland sich nicht leisten.

Abendblatt: Was fordern Sie, damit Sie doch noch Ja sagen können?

Müller: Ich plädiere für die Einhaltung des Prinzips: Wer bestellt, bezahlt. Wenn der Bund durch Gesetze Mindereinnahmen des Staates verursacht, dann muss er sie selbst tragen. Und zwar in voller Höhe.

Abendblatt: Reicht Ihnen nicht, was das Kanzleramt bisher anbietet? Beim Bildungsgipfel wurden doch große Summen in Aussicht gestellt - und eine Erhöhung des Mehrwertsteueranteils der Länder steht ebenfalls im Raum.

Müller: Mir liegt kein belastbares Angebot vor, dass der Bund Mehrwertsteuerpunkte an die Länder abgegeben will. Bislang hat die Regierung eine solche Garantieerklärung strikt abgelehnt. Grundsätzlich gilt: Das Saarland wird über seine Position nur dann noch einmal neu nachdenken, wenn neu entstehende Belastungen bis auf den letzten Cent ausgeglichen werden. Was die Bildungsoffensive betrifft, so reden wir über Mehrausgaben, die zusätzlich erbracht werden sollen. Wenn der Bund jetzt sagt, wir übernehmen von diesen zusätzlichen Ausgaben 40 Prozent, heißt das nicht, dass die Länder entlastet sind. Im Gegenteil: Wir sollen mit 60 Prozent noch immer den größeren Teil leisten. Das ist nicht die Kompensation, die geboten ist.

Abendblatt: Halten Sie gar nichts von der Bildungsoffensive?

Müller: Doch. Bildung ist das zentrale Zukunftsthema. Ich trage das Ziel mit, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung zu investieren. Aber ich fordere, bei allen Maßnahmen die verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung zu berücksichtigen. Bildung ist Sache der Länder. Es kann nicht das Ziel der Übung sein, dass sich der Bund jetzt auf kaltem Wege inhaltliche Befugnisse aneignet, die ihm nach dem Grundgesetz gar nicht zustehen.

Abendblatt: Das heißt?

Müller: Je stärker Mittel projektgebunden zur Verfügung gestellt werden sollen, umso größer ist die Gefahr, dass der Bund in die Kulturhoheit der Länder eingreift. Wenn die Koalition will, dass wir mehr für Bildung ausgeben, dann muss sie bereit sein, mit uns ernsthaft über eine Erhöhung unseres Anteils an der Umsatzsteuer zu reden. Anders geht es nicht.

Abendblatt: Wenn Schleswig-Holstein morgen im Bundesrat mit Ja stimmt, hat das Saarland keine Möglichkeit mehr, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz noch zu verhindern. Was erwarten Sie von Ihrem Kollegen Carstensen?

Müller: Schleswig-Holstein ist sicherlich in einer Situation, die in vielen Punkten mit der des Saarlands vergleichbar ist. Ich erlebe, dass der Kollege Carstensen die Interessen seines Landes konsequent vertritt. Ich habe daran nichts zu beanstanden und auch nicht die Befürchtung, dass sich das ändert.

Abendblatt: Ist es eher mutig oder tollkühn, dass derzeit die Warnungen vieler Experten vor Steuersenkungen so ignoriert werden?

Müller: Es fragt sich in der Tat, ob Wünschenswertes wie die Erhöhung des Kindergelds, der Kinderfreibeträge, die Veränderungen bei Erbschafts- und Unternehmenssteuer auch machbar ist. Das gilt erst recht für die große Einkommenssteuerreform, die im kommen Jahr beschlossen werden soll. Darüber werden wir noch einmal in aller Ernsthaftigkeit reden müssen. Ich sehe im Moment die Spielräume nicht und melde erheblichen Diskussionsbedarf an.

Abendblatt: Bildungspolitische Gestaltungsmöglichkeiten hat die CDU im Saarland nicht mehr, weil Sie das Ressort nach der Wahl an die Grünen abgegeben haben. War das ein Fehler?

Müller: Das heißt doch nicht, dass der grüne Minister dort alles machen kann, was er will, und die CDU nichts mehr zu sagen hat. Politische Entscheidungen sind Kabinettsentscheidungen. Im Koalitionsvertrag wurde sehr detailliert festgelegt, was wir auf dem Schulsektor vorhaben. Die Koalition trifft ihre Entscheidungen gemeinsam.

Abendblatt: In Hamburg droht ein Volksbegehren gegen die von den Grünen durchgesetzte Schulreform die schwarz-grüne Koalition zu sprengen. Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen Ähnliches passiert?

Müller: Nein. Die Situation bei uns ist eine andere. Das Gymnasium bleibt verfassungsgeschützt. Wir haben uns zwar auch für ein längeres gemeinsames Lernen entschieden, aber diese Phase soll nicht sechs, sondern fünf Jahre dauern. Außerdem soll das Elternwahlrecht bei uns nicht eingeschränkt werden, was in Hamburg ja im Zentrum der Proteste steht. Insofern bin ich da gelassen.

Abendblatt: Im Saarland ist die Lage komplizierter, weil neben den Grünen auch noch die FDP mitregiert.

Müller: Das sehe ich nicht so. Wir haben detaillierte Vereinbarungen getroffen. Bislang ist die Zusammenarbeit konstruktiv und vertrauensvoll.

Abendblatt: Für die CDU hat sich das neue Regierungsbündnis vier Monate nach seinem Zustandekommen bislang nicht ausgezahlt. In einer Umfrage haben Sie weiter Prozente verloren.

Müller: Diese Umfrage überrascht mich überhaupt nicht. Die Menschen müssen sich an das Modell Jamaika erst einmal gewöhnen. Und der Gewöhnungsbedarf ist im bürgerlichen Lager besonders hoch. Unsere Aufgabe und Chance ist es, durch gute Arbeit zu überzeugen.