Berlin/Kiel. Es sind wohl nur noch taktische Gründe, aus denen sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ein Nein zu den milliardenschweren Steuerentlastungen offiziell weiter offenhält. Denn nicht nur hinter der Hand wird sowohl in Kieler als auch in Berliner Koalitionskreisen signalisiert, dass die schwarz-gelbe Mehrheit steht, wenn es am Freitag im Bundesrat zum Schwur über das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz kommt.

Tatsächlich laufen die Verhandlungen mit der Bundesregierung über Entlastungen für die Länder noch. Allerdings deutete Carstensen an, dass der Weg in den Vermittlungsausschuss nicht in seinem Sinne sei. Ein Ja in der Bundesratssitzung am Freitag sei nach den bisherigen Gesprächen wahrscheinlicher geworden, sagte auch CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Berlin habe verstanden, dass Schleswig-Holstein und einige andere Bundesländer in einer besonders kritischen Lage sind. In der Hauptstadt wiederum formuliert man es etwas anders: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident habe nunmehr seine "gesamtstaatliche Verantwortung" erkannt, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Tatsächlich wurde gestern aber immer deutlicher, welche Zusagen des Bundes diesen Erkenntnisgewinn bei Carstensen befördert haben könnten.

So lockt Berlin alle Länder mit mehr Mitteln für die Bildung, wovon auch Schleswig-Holstein profitiert. Dingfest gemacht werden soll der Deal bereits heute Nachmittag beim "Bildungsgipfel" im Kanzleramt. Merkel hat intern signalisiert, dass der Bund bereit ist, für einen größeren Teil der Kosten jener Offensive aufzukommen, die dort beschlossen werden soll. Ziel ist unter anderem der Ausbau der unterfinanzierten Bachelor- und Masterstudiengänge an den Universitäten und eine massive Aufstockung der Stipendienprogramme. Berlin wolle seinen Anteil von ursprünglich geplanten zehn auf 40 Prozent steigern, wie Kiels FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki dem Abendblatt bestätigte. Die Länder würden so drei Milliarden Euro sparen, Schleswig-Holstein immerhin 100 Millionen im Jahr.

Zusätzlich ist im Gespräch, dass der Länderanteil an der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöht wird - zweckgebunden für Bildung. Allerdings heißt es in Berliner Koalitionskreisen, dass eine solche Anhebung des Länderanteils an der Mehrwertsteuer allenfalls in Aussicht gestellt werden könne.

Gleiches gilt für die Ansage, die Länder im Zuge der Steuerreform 2011 besserzustellen. Im Gespräch ist auch hier eine Anhebung des Länderanteils an der Mehrwertsteuer. Ein Prozentpunkt mehr brächte den Ländern geschätzt 1,6 Milliarden Euro, Schleswig-Holstein 50 Millionen. Gegen diese Variante sprach sich gestern Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) aus. "Eine stärkere Beteiligung des Bundes an den notwendigen Bildungsausgaben der Länder halte ich für die bessere Lösung", so Aigner im Abendblatt.

Zudem will der Bund offenbar die Kosten für die Rückabwicklung der Jobcenter (Argen) übernehmen. Die Entflechtung der Arbeitsgemeinschaften (Bundesagentur und Kommunen) dürfte in Schleswig-Holstein etwa 20 Millionen Euro kosten, bundesweit mindestens 300 Millionen.

Außerdem soll es in einigen Bundesgesetzen Öffnungsklauseln für Länder geben. Sie könnten dann Standards senken und so Geld sparen. Als Beispiel nannte Kiels CDU-Fraktionschef von Boetticher die Jugendhilfe und den Justizvollzug.

Außerdem will der Bund bei der Kontrolle der Schuldenbremse Rücksicht auf finanzschwache Länder nehmen. Carstensen zeigte sich zufrieden. Die bisher vereinbarten Maßnahmen würden Länder und Kommunen entlasten, sagte er in Kiel. "Schleswig-Holstein hat für alle Länder ins Feuer gegriffen, um die Kastanien rauszuholen." Mehr war offenbar nicht drin.