Verletzter Polizeichef Alois Mannichl liegt weiter im Krankenhaus. Die Tatwaffe stammte aus seiner eigenen Küche.

Passau/Hamburg. Die rechtsradikale Szene in Bayern neigt nach Angaben von Landesjustizministerin Beate Merk (CSU) zu mehr Gewalt und hat sich 2007 verjüngt. Die registrierten Körperverletzungsdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund seien im Vergleich zum Vorjahr um 140 Prozent gestiegen - absolut wurden 29 Fälle gezählt. Sollte sich der Verdacht eines rechtsextremen Hintergrunds bei dem Attentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl bestätigen, sei eine Stufe erreicht, die mit den RAF-Attentaten vor 30 Jahren zu vergleichen sei, sagte Merk.

Noch ist das allerdings nicht klar. Zwar waren am Sonntag zwei Männer festgenommen worden, die in der rechten Szene einschlägig bekannt sind. Doch sie konnten wasserdichte Alibis vorlegen. Außerdem konnte Mannichl keinen der beiden identifizieren. Also musste der Passauer Oberstaatsanwalt Helmut Walch die Männer wieder laufen lassen. Die Sonderkommission der Kriminalpolizei wurde von 20 auf 50 Beamte aufgestockt, es wird wegen versuchten Mordes ermittelt.

Immerhin ein Fortschritt wurde bisher erzielt: Die Herkunft des Messers, das Mannichl am Sonnabend in die Brust gerammt wurde, ist geklärt. Es stammte aus seiner eigenen Küche. Der 52-Jährige hatte es für seine Nachbarn vor die Tür gelegt, damit sie sich im Advent Stücke von einem großen Lebkuchen abschneiden konnten. Nach dem Verbrechen hatte der Täter es in einen Garten in der Nachbarschaft geworfen. Der Angreifer hatte Mannichl zugerufen: "Du linkes Bullenschwein, du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Für die Ermittler eine Anspielung darauf, dass die Polizei das Grab des im Juli in Passau beerdigten Altnazis Friedhelm Busse öffnen ließ, um eine mitbestattete Nazi-Fahne wieder hervorzuholen.

Für die Staatsanwaltschaft steht trotzdem noch nicht eindeutig fest, dass der Anschlag einen rechtsradikalen Hintergrund hat. Die NPD distanzierte sich von dem Verbrechen. "Für die NPD ist Gewalt kein Mittel der innenpolitischen Auseinandersetzung ", ließ Parteichef Udo Voigt wissen. Zwar habe Mannichl "sein Amt wiederholt missbraucht und mithilfe seines Polizeiapparates die nationale Opposition verfolgt". Doch der Täter habe "nicht nur der NPD, sondern dem gesamten nationalen Widerstand" einen schlechten Dienst erwiesen.

Britta Schellenberg, Rechtsextremismus-Expertin der Universität München, sagte, in Bayern sei der Passauer Raum traditionell eine Hochburg der Rechten. Die Radikalisierung sei aber ein europaweites Phänomen.

Dabei wächst auch die Zahl der Todesfälle. Während die Bundesregierung für die Zeit seit 1990 von 40 Tötungsdelikten mit rechtsextremem Hintergrund ausgehe, kommen Opferverbände und Beratungsstellen auf weit höhere Zahlen. Es habe mindestens 136 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt gegeben, errechnete etwa die Potsdamer Initiative "Opferperspektive". Allein in diesem Jahr habe es vier Tote gegeben - die Bundesregierung geht von einem einzigen Fall aus. Fälle, in denen sich erst später der rechtsextreme Hintergrund herausstelle, würden selten in der Statistik nachgetragen.

Für die Bundesregierung beweist der Mordversuch eine "neue Qualität" rechtsextremer Gewalt. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Täter seien "Feinde der Freiheit", gegen die energisch vorzugehen sei.

Alois Mannichl liegt weiter im Krankenhaus, sein Zustand ist stabil. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte nach einem Besuch an dessen Krankenbett: "Das ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaat, das geht uns alle an." Bayern werde auch die Verschärfung von Strafen für Gewalttaten gegen Polizisten prüfen.