Hamburger Abendblatt:

Herr Professor Dudenhöffer, welchen Sinn hat das Eingreifen der Politik in einem Fall wie Opel?

Prof. Ferdinand Dudenhöffer:

Diese Fälle dürfen wir nicht dogmatisch beantworten, sondern müssen uns anschauen, welche Konsequenzen es hätte, wenn man nicht eingreift. Die können erheblich sein, weil wertvolle Unternehmen wie Zulieferer in Mitleidenschaft gezogen werden würden.



Abendblatt:

Wie lange könnte Hilfe durch Staatsgarantien wirken?

Dudenhöffer:

Die nächsten zwei, drei Jahre wird es in der Automobilindustrie noch öfter vorkommen, dass einzelne Unternehmen in Verlustsituationen gehen und Banken denen kein Geld leihen. Ich gehe davon aus, die nächsten drei Jahre werden angespannte Jahre. Da kann es wichtig sein, mit Kreditunterstützung zur Verfügung zu stehen, wenn man vermeiden will, dass gesunde Unternehmen gegen die Wand fahren.



Abendblatt:

Werden weitere Autobauer um Hilfe bitten?

Dudenhöffer:

Autobauer weniger. Es gibt ein Risiko, dass Ford, wenn die Probleme in den USA sehr groß werden, anfragen würde. Das würde ich aber für überschaubar halten. Bei den Deutschen kann ich mir nicht vorstellen, dass da einer käme.



Abendblatt:

Welche Schuld trägt der Mutterkonzern GM?

Dudenhöffer:

Das ist schwer auseinanderzudividieren. General Motors hat seit 2000 in Europa nur Verluste produziert. General Motors hat Opel in der Vergangenheit bei den Sanierungsprogrammen stark gestützt. Selbstverständlich ist man von General Motors abhängig, selbstverständlich sind in der Vergangenheit in Detroit Konzernentscheidungen getroffen worden, die nicht das Optimale für Opel waren. Aber Opel ist auch nicht das Vorzeigeunternehmen, als das es manchmal bezeichnet wird.



Abendblatt:

Wurden Fehler bei der Modellpolitik gemacht?

Dudenhöffer:

Ja, sicher, Fehler auch bei uns. Man kann es vergleichen mit Ford. Ford in Europa ist ertragsfähig, mit Gewinnen. General Motors Europe dagegen tut sich sehr schwer, hat nur Verluste geschrieben.



Abendblatt:

Nützen Staatsgarantien den deutschen Opel-Arbeitern oder doch eher General Motors?

Dudenhöffer:

Eine Hilfe oder Kreditzusage nützt automatisch auch dem GM-Konzern, da sitzen beide in einem Boot. Man kann juristisch Verträge machen, aber die sind eigentlich nicht haltbar, denn sobald das Boot sinkt, sind beide weg.



Abendblatt:

Verhält die deutsche Regierung sich in der Krise richtig?

Dudenhöffer:

Dass die Krise kommt, konnte man vor vier Monaten sehen. Es ist sehr überraschend, dass man jetzt anfängt, diese Gipfel zu machen. Es ist überraschend, dass man zumindest keine von außen sichtbare Abstimmung mit den USA hat, was sehr wichtig wäre, gerade im Fall Opel: Ohne Zusagen in Amerika macht es keinen Sinn, in Deutschland Zusagen zu machen. Es ist überraschend, wie lange Finanzminister wie Peer Steinbrück brauchen, um über den Tellerrand der Banken hinauszuschauen. Denn es ist deutlich, dass die Automobilzulieferindustrie in Probleme reinläuft. Wir haben schon einzeln Insolvenzen zu beobachten. Das können durchaus gesunde Unternehmen sein.


Es fehlt bei uns ein Monitoring-, also Beobachtungssystem aus den Ministerien heraus, wie es um einzelne Unternehmen oder Branchen steht. Dadurch fallen die Entscheidungen sehr kurzfristig. Man macht zwar viele Gipfel, aber nicht immer die besten Entscheidungen.