Berlin. Die deutsche Sozialdemokratie hat gestern Nibelungentreue bewiesen: SPD-Präsidium und Parteivorstand stärkten Parteichef Kurt Beck den Rücken und trugen dessen Kursschwenk in Bezug auf die Linke mit - obwohl nach seinen Äußerungen kurz vor der Hamburger Bürgerschaftswahl scharfe Kritik laut geworden war. Einstimmig beschloss das Präsidium gestern, dem hessischen Landesverband unter Andrea Ypsilanti in der Frage, ob und wann sich diese mit Stimmen der Linken zur neuen Ministerpräsidentin wählen ließe, freie Hand zu geben. "Solche Entscheidungen liegen bei den Landesverbänden", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil.

Gleichzeitig sei es wichtig, alles zu tun, um sich von der Linkspartei nicht abhängig zu machen, sagte Heil. Darum werde Ypsilanti erneut das Gespräch mit der FDP suchen, um die Möglichkeit einer Ampelkoalition auszuloten. "Die FDP muss sich selbst fragen, ob sie eine eigenständige Partei sein will oder nur eine Arbeitsgemeinschaft mit der Union", sagte er.

Auf Bundesebene hingegen grenzte sich der Parteivorstand deutlich von der Linken ab. Diese weise "in zentralen Fragen der Politik unüberbrückbare Gegensätze zur SPD auf", hieß es. Sie habe kein Programm und sei deswegen "unberechenbar". Ihre Mitgliedsstruktur mache verantwortliche Regierungsarbeit unmöglich.

SPD-Chef Kurt Beck hatte krankheitsbedingt nicht an den Sitzungen teilnehmen können. Am Sonntagabend noch hatte Beck Fehler eingestanden. Er bedauere, wenn seine Äußerungen zum Umgang mit der Linkspartei in Hessen in der SPD zu Irritationen geführt hätten, hatte er auf dem Wahlabend im Willy-Brandt-Haus gesagt. Dies sei in den Parteigremien als "ungewöhnliche Geste" gewertet worden, berichtete Heil. Meist werde ja nicht gern zugegeben, dass "mal etwas nicht so gut gelaufen ist".

SPD-Fraktionschef Peter Struck, der vor der Wahl in Hamburg noch Unverständnis über die Äußerungen Becks artikuliert hatte, leitete am Morgen den Kursschwenk ein, als er erklärte, keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit den Linken auf Länderebene zu haben. Im Osten habe es bereits solche Koalitionen gegeben, und auch in den alten Ländern sei dies nicht ausgeschlossen, sagte er im Deutschlandfunk.

Trotz der scharfen Vorwürfe aus dem Konrad-Adenauer-Haus erneuerte auch die SPD gestern ihr Bekenntnis zur Großen Koalition in Berlin. "Wir werden unsere Pflicht tun", sagte Heil.