HAMBURG. Gestritten haben sie sich seit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1863. Und meistens haben führende Sozialdemokraten für je eine programmatische Ausrichtung gestanden. Ob Eduard Bernstein und Karl Kautsky vor, während und nach dem Erfurter Programm von 1891; ob Gustav Noske, Philipp Scheidemann und Friedrich Ebert zu Beginn der Weimarer Republik; ob Herbert Wehner, Willy Brandt, Egon Bahr, Helmut Schmidt, Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder und all die exponierten Nachkriegs-Sozis zwischen Godesberger (1959) und Berliner Programm (1989) - die prominenten Sozialdemokraten haben immer gerungen: Um Regierungsverantwortung und Parteiräson, um Programm und Popularität bei den Wählern und schließlich um die wichtigsten Posten. Dass gerade in den vergangenen Jahren die Parteivorsitzenden kamen und gingen und kamen, hing zusammen mit Mobbing (Rudolf Scharping versus Oskar Lafontaine), einem abgewählten Kanzler (Gerhard Schröder), einem nicht gewählten Generalsekretär (Franz Müntefering schmiss deshalb hin) und einem ausgebrannten Herzblutpolitiker (Matthias Platzeck).

Der Geburtshelfer der SPD, Ferdinand Lassalle, starb gar bei einem Duell - nur ein Jahr, nachdem er den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ins Leben gerufen hatte. August Bebel und Wilhelm Liebknecht gründeten 1869 von Karl Marx' Ideen beeinflusst in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), ehe sich beide Strömungen 1875 in Gotha vereinigten. Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands war geboren - und gab Reichskanzler Otto von Bismarck 1878 Anlass, das Gesetz gegen die "gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" auf den Weg zu bringen.

Das nach dem Ende der Sozialistengesetze verabschiedete Erfurter Programm trug markante marxistische Züge. Klassenkampf und Vergesellschaftung der Produktionsmittel standen im Vordergrund.

Im Görlitzer Programm von 1921 sah sich die SPD - nach der Abtrennung der linken USPD und der Bildung einer eigenen kommunistischen Partei - als "Partei des arbeitenden Volkes in Stadt und Land". Nicht mehr Revolution, sondern Reformpolitik hieß das Schlagwort. Doch schon vier Jahre später rückte der Klassenkampf in den Vordergrund des Heidelberger Programmes , weil sich die SPD wieder den Linken der USPD geöffnet hatte.

Mit dem Godesberger Programm von 1959 wandelte sich die SPD zur Volkspartei. Die Abgrenzung zum Sozialismus der DDR war deutlich und strikt. Im Godesberger Programm finden sich zentrale, nach wie vor gültige Formeln: demokratischer Sozialismus, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität sowie ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft.

Das Berliner Programm von 1989 wurde schnell vom Mauerfall überholt. Dennoch geht es zukunftsweisend um die Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Das neue Hamburger Programm soll die Handschrift einer Programmkommission tragen, die Matthias Platzecks Begriff vom vorsorgenden Sozialstaat in eine Form gießt.