Ex-General: Das “öffentliche Abwatschen“ Oettingers schadet der Partei.

Frankfurt/Main/Berlin. - Nach der Entschuldigung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger für seine Filbinger-Trauerrede ist die Debatte in der CDU erneut aufgeflammt. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm warf Kanzlerin Angela Merkel gestern vor, mit ihrer öffentlichen Kritik an Oettinger der Partei geschadet zu haben.

Regierungschef Oettinger hatte in einer Grabrede seinen verstorbenen Amtsvorgänger Hans Filbinger als Gegner des Nazi-Regimes bezeichnet und diese Einschätzung erst am Montag zurückgenommen. Filbinger war SA- sowie NSDAP-Mitglied und war als NS-Marinerichter an mehreren Todesurteilen gegen Deserteure beteiligt.

Nach der Trauerfeier für Filbinger hatte Merkel Oettinger öffentlich kritisiert. Darüber zeigte sich Schönbohm empört. "Unsere Leute wollen sehen, ob wir auch noch zusammenstehen, wenn uns der Wind einmal stark ins Gesicht weht", sagte er in einem Interview. Versuche, Oettinger in die rechte Ecke zu drängen, seien inakzeptabel.

Das "öffentliche Abwatschen" eines CDU-Ministerpräsidenten durch die eigene Bundesvorsitzende habe nie zum Stil der Partei gehört, kritisierte Schönbohm. "Mit der öffentlichen Bekanntgabe des Telefonats von Frau Merkel mit Herrn Oettinger zum Fall der Trauerrede zu Hans Filbinger sind die Angriffe gegen Ministerpräsidenten Oettinger verstärkt worden."

Nach seiner Merkel-Kritik geriet Schönbohm in der eigenen Partei unter Druck. "Es ist bedauerlich, dass Herr Schönbohm das so sieht", sagte ein Sprecher. Das CDU-Präsidium stehe geschlossen hinter dem Vorgehen Merkels. Auch Brandenburgs CDU ging auf Distanz zu Schönbohm. Sowohl der Landesvorsitzende Ulrich Junghanns als auch Landtagsfraktionschef Thomas Lunacek stärkten Merkel demonstrativ den Rücken, vermieden jedoch offenen Tadel an Schönbohm.

Auch der Zentralrat der Juden lobte die Kanzlerin. Merkel habe Führungsstärke bewiesen, sagte Generalsekretär Stephan Kramer. Sie habe die Affäre beendet, ohne jedoch einen Schlussstrich anzuordnen.

Die FDP forderte die Union auf, die Rolle einiger ihrer Vertreter während des NS-Regimes aufzuarbeiten. Bei der Vergangenheitsbewältigung habe die CDU ein latentes Problem, sagte Generalsekretär Dirk Niebel.

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte, zur Tagesordnung überzugehen. Es bleibe die Erinnerung daran, dass Oettinger "aus den Reihen der baden-württembergischen CDU jubelnd zugestimmt worden ist". Die CDU habe eine Diskussion nachzuholen.