HAMBURG. Bis zuletzt hat sie gehofft. Gebangt, manchmal sogar gebetet. Dass es so etwas wie Gerechtigkeit gibt. Dass Brigitte Mohnhaupt nicht vorzeitig entlassen wird. Geglaubt hat sie es aber nicht. "Wie kann ich an ein System glauben, in dem Staatsfeinde ,begnadigt' und Mörder nicht verurteilt werden?", fragt Sigrun Schmid (60), Witwe des Hamburger Polizisten Norbert Schmid, des ersten Opfers der RAF.

Den Glauben an Gerechtigkeit habe sie vor langer Zeit verloren. Damals, als ihr Mann 1971 vom Terroristen Gerhard Müller erschossen und der Mörder gefasst - aber nie verurteilt wurde. Er war Kronzeuge, hat später eine neue Identität erhalten. "Daher weiß ich, dass in diesem Staat die Täter über die Opfer gestellt werden."

Gehofft hat sie trotzdem. Dass sich so etwas nicht wiederholt. Dass Brigitte Mohnhaupt nicht vorzeitig entlassen wird, nicht "begnadigt" wird, wie Sigrun Schmid es nennt. "Denn wie kann man jemanden ,begnadigen', der selbst nie Gnade mit seinen Opfern hatte?" Es ist eine rhetorische Frage. Eine Frage, auf die es für sie keine Antwort gibt. Erst recht nicht auf das, was sie gestern im Radio gehört hat. Zur Mittagszeit, zufällig. Dass Brigitte Mohnhaupt nach 24 Jahren auf Bewährung freigelassen wird. "Da habe ich nur an Frau Schleyer gedacht und mit ihr getrauert." Waltrude Schleyer, Witwe des 1977 von der RAF getöteten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. "Ich weiß, wie sie sich jetzt fühlen muss. So wie ich. Leer. Und vom Staat verraten."

Irgendwann einmal habe sie sogar daran gedacht, Deutschland zu verlassen. In ein Land zu gehen, in dem es noch Gerechtigkeit gebe. Dann habe sie die Pläne jedoch aufgegeben. Wegen Norberts Grab und der beiden Kinder. Und wegen des Mörders ihres Mannes. Denn vielleicht wird er eines Tages doch noch verurteilt. Das hofft Sigrun Schmid. Glauben tut sie es allerdings nicht mehr.