In dem knappen Vierteljahrhundert, das Brigitte Mohnhaupt im Gefängnis verbrachte, hat sich die Welt stärker verändert als je zuvor. 1982 nahm vieles seinen Anfang, was für uns heute selbstverständlich ist - aber auch manches, was uns in der Rückschau unglaublich erscheint.

Am 11. November 1982, als die RAF-Terroristin festgenommen wurde, gab der Kreml den Tod Leonid Breschnews bekannt. Mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef endete die aggressive Außenpolitik des roten Imperiums. Seine Nachfolger Jurij Andropow und Konstantin Tschernenko amtierten nur kurz. 1985 leitete Michail Gorbatschow, sechs Jahre zuvor von Breschnew ins Politbüro geholt, mit Glasnost und Perestroika das Ende des Kalten Krieges ein.

Kurz vor der Mohnhaupt-Verhaftung, am 1. Oktober, wurde Helmut Kohl durch das erste konstruktive Misstrauensvotum der Bundesrepublik zum Kanzler gewählt; 16 Jahre sollte er amtieren. Sein Festhalten am Nachrüstungsbeschluss der Nato half später US-Präsident Ronald Reagan im Kampf gegen das "Reich des Bösen" und machte nicht zuletzt auch den Weg zur Wiedervereinigung frei.

Und noch ein drittes Ereignis stellte im November 1982 wichtige Weichen: Polens Arbeiterführer Lech Walesa wurde nach elf Monaten aus dem Gefängnis freigelassen und kehrte nach Danzig zurück. Sieben Jahre später siegte seine Solidarnosc in den ersten freien Wahlen seit Kriegsende, und die kommunistischen Diktaturen des Ostblocks stürzten wie Kartenhäuser ein.

Eine der wichtigsten innenpolitischen Entscheidungen jener Tage: Am 10. November kündigte Arbeitsminister Norbert Blüm die Rente mit 59 an. Um die Arbeitslosigkeit einzudämmen, sollten Beitragszahler mit dem Ruhestand nicht mehr bis zum 63. Lebensjahr warten, mussten aber Abstriche hinnehmen.

Auch das geschah Mitte November 1982: Wegen Verstrickung in die Flick-Schmiergeldaffäre bereitete die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) vor (1984 trat er zurück, 1987 wurde er wegen Steuerhinterziehung verurteilt). In Lübeck schilderte die Angeklagte Marianne Bachmeier in einem spektakulären Strafprozess den Tag, an dem ihre fünfjährige Tochter erwürgt worden war (den Mörder hatte sie im Mai 1981 im Gerichtssaal erschossen). Und deutsche Frauen traten am 10. November in Koblenz zu ihrem ersten Fußball-Länderspiel an (5:1 gegen die Schweiz).

Dramatisch sind auch die Veränderungen im Alltag: 1982 gab es noch kein Handy, kein Privat-TV, und der Laptop steckte noch in den Anfängen. Es gab kein BSE, kein Ozonloch, und die Gentechnik ließ ihre Möglichkeiten noch nicht erahnen.