Ministerin Schmidt holt sich Bert Rürups Berechnungen zu Hilfe. Sie sollen die Zahlen einer Unions-Studie widerlegen. Und auch Günther Oettinger hat schon eine Expertise bestellt.

Berlin. Selten herrschte im Presseraum des Bundesgesundheitsministeriums an der Friedrichstraße in Berlin ein Andrang wie gestern, als Hausherrin Ulla Schmidt (SPD) und der Sachverständige Bert Rürup das Gutachten zu den finanziellen Folgen des Gesundheitsfonds vorstellten. Den Rücken gestärkt, auf den Lippen ein siegesgewisses Lächeln, referierte die Bundesgesundheitsministerin die Hauptaussagen des Gutachtens und ihre Schlussfolgerungen daraus.

Dass sie dabei auch die CSU-Spitze, die bis zum Morgen noch scharfe Kritik an ihr geäußert hatte, abwatschte, war wenig überraschend - wenig angenehm aber für den CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller, der ebenfalls erschienen war.

Nach dem neuen Gutachten liegen die Mehrbelastungen der einzelnen Bundesländer durch den von 2009 an inkrafttretenden Gesundheitsfonds deutlich niedriger, als es eine umstrittene Studie des Kieler Instituts für Mikrodatenanalyse im Dezember vorhergesagt hatte. Die Kieler Studie hatte damals für großes Aufsehen gesorgt, mehrere unionsgeführte Bundesländer, allen voran Bayern und Baden-Württemberg, hatten gedroht, die Gesundheitsreform abzulehnen. So dürften die Mehrbelastungen für Bayern zwischen 62 und 98, für Baden-Württemberg zwischen 50 und 92 und für Hessen zwischen 59 bis 64 Millionen Euro liegen.

"Damit müsste auch der Streit um die Auswirkungen des Fonds zu Ende sein", sagte Schmidt. Sie appellierte an eine Rückkehr zur Sachlichkeit. Begriffe wie Bewährungsfrist, Klassenkampf und Gesundheitssozialismus gehörten in die Mottenkiste sagte sie in Hinblick auf die jüngsten Verbalattacken aus Bayern. Darüber hinaus sollte trotzdem klar sein, "dass eine regionale Betrachtung der sozialen Sicherung ein Irrweg ist", betonte Schmidt.

Es gehe um die "gesamtdeutsche Solidarität" und den Respekt vor dem kranken Menschen - egal aus welchem Bundesland. Schmidt wies außerdem daraufhin, dass nach wie vor ein doppeltes Netz vorgesehen sei, durch das kein Bundesland mit Mehrkosten über 100 Millionen Euro belastet werde. Die entsprechende Klausel im Gesetzentwurf hätte die bayerische Staatskanzlei selbst formuliert, sagte sie mit süffisantem Lächeln.

Auch der Sachverständige Rürup bezeichnete den regionalen Denkansatz als "verfehlt" und "abwegig". Wenn man dafür eintrete, müssten auch Renten- und Arbeitslosenversicherung in Einnahmen und Ausgaben regionalisiert werden. Es gebe gute Gründe gegen den Gesundheitsfonds, sagte Rürup mit Seitenblick auf Schmidt - die Verteilungswirkung gehöre jedoch nicht dazu. "Die Kassen gehören nicht den Ländern", sagte er.

Zöller bezeichnete die Ausführungen Rürups nach der Präsentation als "einleuchtend" und "schlüssig". Und ließ gesunde Distanz zur eigenen Parteispitze erkennen: Dass Verunsicherung entstanden sei, könne er verstehen, sagte er. Jedoch hätte man die Fragen auf Sachebene klären müssen. Er rief dazu auf, den "Zahlensalat, der durch die Leute gepeitscht wurde", nun zu beenden. "Ich gehe nach wie vor davon aus, dass wir eine Gesundheitsreform wie in den Eckpunkten beschlossen hinkriegen", sagte Zöller.

Aus seinem Heimatland Bayern verlautete derweil der Ruf nach weiteren Nachbesserungen, am Sonntag will die CSU-Spitze ihr weiteres Vorgehen abstimmen. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens meinte: "Das Gutachten bringt die politische Diskussion keinen Schritt weiter." CSU-Generalsekretär Markus Söder betonte: "Es gibt noch eine Reihe von anderen Fragen, die müssen geklärt werden." Da werde ein Gutachten nicht ausreichen, "das Vertrauen wieder herzustellen".

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger will ein eigenes Gutachten abwarten, bevor er sich abschließend äußert. Allerdings ließ er anklingen: "Wenn die Risiken bei starken Ländern, wie Baden-Württemberg bei unter 100 Millionen Euro liegen sollten, dann kann ich damit leben."