In der kommenden Woche sollen sich Parlamentarier mit dem Fall des “Bremer Taliban“ befassen.

BERLIN/BREMEN. Der Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz kommt vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Union und SPD beschlossen, dazu den Verteidigungsausschuss des Bundestages mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses zu versehen.

Das teilten die verteidigungspolitischen Sprecher von CDU/CSU und SPD, Bernd Siebert und Rainer Arnold, gestern in Berlin mit. Der Ausschuss hatte sich schon am Mittwoch eingehend mit dem Fall des in Bremen lebenden Türken beschäftigt. Der Verteidigungsausschuss ist der einzige Ausschuss, der sich verfassungsrechtlich zu einem Untersuchungsgremium konstituieren kann.

Kurnaz hatte Bundeswehrsoldaten vorgeworfen, ihn in einem US-Gefangenenlager im afghanischen Kandahar misshandelt zu haben. "Selbstverständlich konnten in der Kürze der Zeit nicht alle Fragen erschöpfend und umfassend beantwortet werden", sagten Siebert und Arnold. "Die Vorwürfe, die Kurnaz gegen Mitglieder des Kommandos Spezialkräfte (KSK) erhoben hat, müssen rückhaltlos aufgeklärt werden."

Nach SPD-Angaben soll sich der Untersuchungsausschuss schon kommende Woche konstituieren. Dennoch beharren die Mitglieder des bereits bestehenden BND-Ausschusses darauf, dass Kurnaz auch dort als Zeuge gehört wird. Zwischen Union, SPD, Linkspartei sowie der FDP und den Grünen gibt es aber Streit über den Zeitpunkt der Zeugenaussage. FDP und Grüne wollen im Bundestag einen Antrag einbringen, dass dies schon im November stattfinden kann.

Die Koalitionsparteien und die Linkspartei plädieren dafür, im BND-Ausschuss zunächst den Fall des 2003 von Amerikanern verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled el Masri abzuschließen. Die Anhörung von Kurnaz könnte dann erst Anfang des Jahres stattfinden. Am Rande des BND-Ausschusses sagte der FDP-Politiker Max Stadler, im BND-Ausschuss müsse die "Kernfrage" gelöst werden, ob die rot-grüne Bundesregierung - und damit der Staat - seine Schutzpflicht in den Fällen El Masri und Kurnaz verletzt hat. Dazu müsse vor allem der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gehört werden. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte, die Öffentlichkeit habe ein Recht, dass im Fall Kurnaz Licht in das Dunkel gebracht werde. Der zweite Untersuchungsausschuss müsse schnell klären, was das KSK in Afghanistan treibe.

Der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, wandte sich wie FDP und Linksfraktion gegen eine Klärung allein im Verteidigungsausschuss. "Auch wenn die Große Koalition den Verteidigungsaspekt des Falles im Verteidigungsausschuss klären will, beharren wir darauf, den Fall im BND-Untersuchungsausschuss umfassend aufzuklären", sagte Beck. Es sei zu befürchten, dass es im Verteidigungsausschuss "zu größerer Geheimniskrämerei" komme. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, die Bundesregierung gestehe "mit ihrer Salami-Taktik immer nur das ein, was ohnehin gerade veröffentlicht wurde". Offensichtlich sei der Einsatz des KSK "der politischen Kontrolle entglitten".