Berlin. Das Stichwort heißt "Instandhaltungsrückstau". Es bedeutet, daß viele Kommunen längst dazu übergegangen sind, ihre Substanz kaputtzusparen. Statt der 200 Milliarden Euro, die sie laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) im Zeitraum 2000 bis 2005 eigentlich in die Erhaltung ihrer Infrastruktur hätten stecken müssen - in Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser, in Verwaltungsgebäude, kommunale Wohnungen und Verkehrswege -, gaben sie dafür nur 115 Milliarden Euro aus. "Die entstandene Lücke", so die difu-Studie, "könnte nur dann geschlossen werden, wenn es gelänge, das jährliche Investitionsvolumen bis zum Ende des Jahrzehnts auf 57 Milliarden Euro zu steigern." Das, so die Berliner, sei "realistischerweise" aber kaum zu erwarten.

Ob die Katastrophe von Bad Reichenhall etwas mit diesem allgemeinen Instandhaltungsrückstau zu tun hat, läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber man kann ahnen, daß in der einen oder anderen Kommune inzwischen an Stellen gespart wird, an denen es gefährlich werden könnte. In einigen Kreisen und Städten, heißt es beim TÜV Rheinland hinter vorgehaltener Hand, nehme man es inzwischen beim Sicherheitscheck der Brücken nicht mehr so genau. Dazu muß man wissen, daß bei 30 000 von knapp 140 000 deutschen Brücken die Baulast bei den Kommunen liegt. Einige davon, sagt man in Köln, würden in ihrer Finanznot die vorgeschriebenen regelmäßigen Prüfungen nach DIN 1076 auf die lange Bank schieben. Hamburg auch? "Nein, Hamburg nicht."

Was Bad Reichenhall betrifft, ist Thomas Weierganz von der Landesgewerbeanstalt Bayern ganz sicher, "daß mehrere ungünstige Ursachen" das Unglück ausgelöst haben müssen. Seine Statiker würden einen solchen Bau nur bis zur Fertigstellung begleiten. "Danach trägt der Bauherr die Verantwortung. Das beinhaltet, daß er sich gefälligst kümmert, daß nichts passiert."

Im Gegensatz zu Weierganz wundert sich Michael Reidenbach vom Deutschen Institut für Urbanistik, daß der Gesetzgeber Brandschutzprüfungen für Theater, Schulen und Sporthallen vorschreibt, Statikuntersuchungen aber nicht. Zumal man auch kaum statistisches Material zum Zustand solcher Gebäude habe. Und ohne Statistik gebe es nun mal keinen Überblick. Eine Besserung der Lage verspricht sich Reidenbach davon, daß die Kommunen auf kaufmännische Buchhaltung umstellen müssen. "Spätestens dann muß auch die Bausubstanz bewertet werden."

Einen Zusammenhang zwischen der Katastrophe in Bad Reichenhall und dem in seiner Studie bilanzierten Instandhaltungsrückstau will Reidenbach aber nicht herstellen.