Der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), bewertet für das Hamburger Abendblatt die...

Der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), bewertet für das Hamburger Abendblatt die Beschlüsse des zweiten Konjunkturpakets.

Investitionen 17,3 Milliarden Euro sollen in die Sanierung von Schulen und Hochschulen, andere öffentliche Gebäude und Verkehrswege fließen.

Straubhaar: Strukturell ein guter Schritt, aber er wird konjunkturell zu spät wirken und ist zu stark staatlich bevormundet. Weniger wäre hier mehr gewesen. Denn vor allem die Bauwirtschaft profitiert von den Investitionen.

Steuern Der Eingangssteuersatz sinkt von 15 auf 14 Prozent. Der steuerfreie Grundfreibetrag wird um 170 Euro auf 7834 Euro angehoben, ab 2010 auf 8004 Euro steigen. Entlastungen für die Bürger 2009: 2,9 Milliarden Euro. 2010: 6,5 Milliarden Euro.

Straubhaar: Die Beschlüsse halte ich für stimmig und sinnvoll, aber für zu schwach. Union und SPD mangelt es an Mut, deutlich die Steuern zu senken und damit noch schnellere, tief greifende Impulse auszulösen. Vom jetzigen Steuerkompromiss profitieren vor allem Geringverdiener-Haushalte.

Abgaben Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung sinkt zum 1. Juli von 15,5 auf 14,9 Prozent - paritätisch für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Entlastungen für die Bürger bis 2010: neun Milliarden Euro.

Straubhaar: Im Grundsatz ist die Entscheidung richtig, von abgaben- zu steuerfinanzierten Sozialversicherungssystemen überzugehen. Allerdings werden damit nun die strukturellen Schwächen der Gesundheitsreform übertüncht, ihre Kostensteigerungen kaschiert.

Familien Für jedes Kind wird ein einmaliger Bonus von 100 Euro gezahlt. Hartz-IV-Empfänger erhalten ab Juli für jedes Kind zwischen sechs und 13 Jahren rund 35 Euro mehr im Monat.

Straubhaar: Ein sinnvoller, weil schneller und sozialverträglicher Entschluss. Davon profitieren vor allem einkommensschwächere Haushalte.

Automobilindustrie Wer einen Neuwagen kauft und dafür sein mindestens neun Jahre altes Fahrzeug verschrottet, erhält eine Umweltprämie in Höhe von 2500 Euro. Geplante Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Die Kfz-Steuer soll ab Juli vom Hubraum auf den Schadstoffausstoß umgestellt werden.

Straubhaar: Hier wird einseitig ein Sektor unterstützt. Das ist eine in jeder Beziehung verfehlte Strukturpolitik, aber keine Konjunkturpolitik. Die Wirkung wird gering ausfallen.

Export und Mittelstand Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) wird um 450 Millionen Euro jährlich aufgestockt. Der Ausbau der Breitbandverkabelung wird beschleunigt.

Straubhaar: Auch das ist reine Strukturpolitik, die mit Konjunkturpolitik nichts zu tun hat.

Rettungsschirm für Firmen Zur Absicherung von Krediten an Großunternehmen wird der Bürgschaftsrahmen des Bundeswirtschaftsministeriums für Inlandsdarlehen von bisher 25 auf 100 Milliarden Euro aufgestockt.

Straubhaar: Das Gute an dieser Maßnahme: Der größte Sündenfall - eine direkte Staatsbeteiligung an Unternehmen - ist außen vor gelassen worden. Die Idee des Rettungsschirms sieht vor, die Blockade des Kreditmarktes aufzuheben. In diesem Fall hätte auch die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) tätig werden können. Nun wird vor allem mehr zusätzliche Bürokratie verursacht.

Kurzarbeit, Beschäftigung Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstattet Arbeitgebern die Hälfte der auf Kurzarbeit entfallenden Sozialbeiträge. Bis Ende 2010 wird der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung bei 2,8 Prozent gehalten.

Straubhaar: Es wird vielleicht kurzfristig Effekte geben, aber langfristig wohl keine Konjunkturankurbelung.

Tilgungsfonds Zur Begrenzung der Staatsverschuldung soll eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert werden. Es sollen nur noch neue Schulden von bis zu 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erlaubt sein. Derzeit wären das 12,5 Milliarden Euro. Die Schulden für Investitionen sollen mit einem Tilgungsfonds abgezahlt werden.

Straubhaar: Eine absolut richtige und unvermeidbare Entscheidung. Dennoch ist die Glaubwürdigkeit dieser Absicht sehr beschränkt, wenn man am Tag der Verkündung einer Rekordverschuldung gleichzeitig sagt, es soll das letzte Mal gewesen sein. Vom politischen Tagesgeschäft weiß man, dass solche Versprechungen schwer einzuhalten sind.