Trotz massiver Proteste aus Unionskreisen und der Opposition ist das Hilfspaket auf dem Weg.

Berlin/Hamburg. Am Ende waren alle Beteiligten erstaunt, wie harmonisch dieser Abend verlaufen war. Von einer guten Atmosphäre, einem großen Einigungswillen und keinerlei Reibungen war in Verhandlungskreisen die Rede.

Dabei sah es am Anfang dieser denkwürdigen Verhandlungsrunde, bei der es um 50 Milliarden Euro ging, nach einer langen Nacht aus. Mit Verspätung hatte der Koalitionsausschuss gestartet. Erst gegen 17.30 Uhr begannen die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt um das zweite Konjunkturpaket zu ringen. Unerwartet groß war der Beratungsbedarf beider Lager gewesen. Doch dann präsentierte der Koalitionsausschuss schon kurz vor 23 Uhr erste Ergebnisse - und damit weitaus zügiger, als allenthalben angenommen worden war. Selbst die Frage der Steuersenkungen, auf denen die CSU vehement beharrt hatte, schien am Ende der größten und teuersten Konjunkturmaßnahme der Nachkriegsgeschichte nicht im Wege zu stehen. Und neun Milliarden Euro allein dafür überstiegen letztendlich sogar die ursprünglichen Forderungen der Union. Aus CSU-Kreisen heißt es, dass nun vor allem die Tür noch offen sei für eine große Steuerreform.

Das Maßnahmenbündel, auf das sich die Koalition verständigt hat, soll nun überwiegend über neue Schulden finanziert werden. Die Umsetzung der Beschlüsse, versprach Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, soll "so zügig wie möglich erfolgen".

Heute soll das Paket den Fraktionen vorgestellt und am Mittwoch im Bundestag beraten werden.

Die Kanzlerin kann sich auf Gegenwind einstellen. Schon gestern vor dem Koalitionstreffen hatte Angela Merkel einen Dämpfer erhalten. Kaum hatte sie bei der Sitzung des Fraktionsvorstands die Tragweite des Konjunkturprogramms betont und darauf hingewiesen, wie sehr doch Deutschland mit seinen Maßnahmen in Konkurrenz zu den USA stehe, stießen die Pläne für ein zweites Konjunkturpaket massiv auf internen Widerstand.

Der haushaltspolitische Sprecher Steffen Kampeter, Haushalts-Obmann Norbert Barthle sowie der finanzpolitische Sprecher Otto Bernhardt warnten die Kanzlerin vor einer dramatisch ausufernden Staatsverschuldung, steigender Inflation und Arbeitslosigkeit sowie einem Wettlauf der Konjunkturmaßnahmen, wie die "Rheinische Post" aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Rund ein Drittel der Unions-Fraktionsmitglieder seien gegen die diskutierten Konjunkturmaßnahmen sowie staatliche Firmenbeteiligungen jenseits des Finanzsektors.

Zuvor hatte sich bereits Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt gegen das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte gewandt und von einer Versündigung an kommenden Generationen gesprochen.

Die Opposition reagierte auf die Pläne der Koalition mit Spott. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte dem Abendblatt: "Union und SPD folgen derzeit planlos dem Motto: Wenn schon Schulden, dann Schulden mit Schwung." Niebel forderte: "Die Bundeskanzlerin sollte bei der Regierungserklärung am Mittwoch nicht nur ein Konjunkturpaket, sondern genauso einen Schuldentilgungsplan für die damit verbundenen Milliarden vorlegen." Das sei das Mindeste, was "diese sogenannte Große Koalition" auf die Beine stellen müsse.

Bei den Grünen sprach Fraktionschef Fritz Kuhn von "Chaosfestspielen" in der Koalition. Kuhn und die Co-Vorsitzende Renate Künast warfen Union und SPD vor, das Geld künftiger Generationen in wenig zukunftsfähige Bereiche zu leiten. In einer "Frankfurter Erklärung", die die Fraktion heute verabschieden will, wird der Regierung "Lethargie gepaart mit wirkungsloser Symbolpolitik" vorgeworfen. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte "Spiegel Online", er sehe im geplanten zweiten Konjunkturpaket "ein großes Gerechtigkeitsdefizit". Für Hartz-IV-Empfänger, Rentner und Geringverdiener werde zu wenig getan. Das detaillierte Ergebnis ihrer Verhandlungen wollen die Koalitionsspitzen heute Mittag verkünden.