Die Koalitionsspitzen der CDU, CSU und SPD haben sich im Kanzleramt auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket geeinigt. Der Umfang dieser Maßnahmen beläuft sich finanziell auf 50 Milliarden Euro. Experten kritisieren, das Konjunkturpaket führe zu einer Neuverschuldung des Staates in Rekordhöhe.

Berlin. Guido Westerwelle ist einer der Gegner des Konjunkturpaketes. Er kritisierte die Entscheidung scharf. "So wie es bisher angelegt ist, kann dieses Paket nicht ausreichend wirken", sagte Parteichef er dem "Münchner Merkur". Der Bundesregierung fehle "der Mut, die Bürger spürbar zu entlasten". Die durchschnittliche Steuerentlastung werde bei einem normalen Haushalt gerade bei zehn oder 15 Euro im Monat liegen. Es sei "albern" zu glauben, mit so banalen Beträgen die Konjunktur stabilisieren zu können.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte Merkel auf, bei ihrer Regierungserklärung am Mittwoch gleich einen Schuldentilgungsplan für die mit dem Paket verbundenen Milliarden vorzulegen.

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Angesichts der drohenden hohen Neuverschuldung gab es auch Forderungen nach einer stärkeren Belastung der Rentner. Die Frage der Schulden sei "auch eine Frage des Generationenvertrages", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP). Auch Rentner und Pensionäre hätten "eine Verantwortung, damit die Belastungen, die die Finanzkrise hervorruft, für unsere Kinder nicht zu groß werden."

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, forderte eine schnellere Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67. Eine schnelle Wirkung des Konjunkturpakets erwartete er nicht: Vieles von dem, was jetzt auf den Weg gebracht werde, werde sich erst Ende des Jahres oder sogar erst 2010 auswirken - "nach meinem Urteil eher zu spät", sagte Walter.

Die Spitzen der Koalition hingegen schienen sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Im Gegenteil, sie gingen dafür in die Offensive und rechtfertigten ihre Entscheidung öffentlich.

SPD-Fraktionschef Peter Struck versuchte die Kritiker nach fünfeinhalbstunden Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu beruhigen: Teil des Pakets sei ein "großer Investitionspakt", getragen von Bund, Ländern und Gemeinden in einer Größenordnung von 17 bis 18 Milliarden Euro. Hinzu kämen Maßnahmen zur Senkung von Steuern und Abgaben in einem Umfang von 18 Milliarden Euro. Weiterhin gibt es laut Struck einen Kinderbonus von 100 Euro pro Kind. Auch soll der Regelsatz für Kinder von Hartz IV-Empfängern von 60 auf 70 Prozent erhöht werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, nach dem auf zwei Jahre angelegten Paket werde der Krankenkassenbeitrag paritätisch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um 0,6 Prozent auf 14,9 Prozent abgesenkt. Die Entlastungen sollten am 1. Juli in Kraft treten. Laut Kauder soll es zudem für jedes 2009 zugelassene Auto einen Zuschuss von 2500 Euro geben, wenn ein Altauto verschrottet wird. Bei der Steuer einigten sich Kauder zufolge Union und SPD auf eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 15 auf 14 Prozent.

Kauder sagte weiter, eine vierköpfige Durchschnittsfamilie werde durch das Konjunkturpaket pro Jahr rund 200 Euro mehr zur Verfügung haben. Das ergebe sich aus dem 100-Euro-Kinderbonus, Veränderungen bei Grundfreibetrag und Eingangssteuersatz sowie dem verringerten Kassenbeitragssatz, rechnete Kauder am Dienstag im ZDF- "Morgenmagazin" vor. "Da ist eine Entlastung der Familien durchaus festzustellen."

Der CDU-Politiker wies außerdem darauf hin, dass es nach den am Vorabend beschlossenen Plänen der großen Koalition auch eine Verschiebung innerhalb des Steuertarifsystems geben soll. "Darüber wird noch gerechnet." So solle die sogenannte kalte Progression abgemildert werden. Dabei handelt es sich um eine Art heimliche Steuererhöhung: Lohnzuwächse werden durch die höhere Einkommensteuerbelastung zu großen Teilen aufgezehrt.

Kauder betonte, dass Kinderbonus, Infrastruktur-Investitionen und Umweltprämie bei Verschrottung eines alten Autos und dem Kauf eines Neuwagens in diesem Jahr sofort zum Tragen kommen sollen. Der Rest der Maßnahmen des Pakets mit einem Gesamtvolumen von etwa 50 Milliarden Euro komme dann zum 1. Juli.

Der Unionsfraktionschef kündigte an, die Koalition werde sich "Gedanken" darüber machen, wie eine "Rückführung der Schulden" in den Haushalt erfolgen könne. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hob hervor, die Koalition habe das Thema Schulden im Griff.

Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter sagte hingegen dem "Handelsblatt", er rechne wegen der Kosten für die Konjunkturpakete und für die Rückkehr zur Pendlerpauschale mit einer Rekord-Neuverschuldung von etwa 60 Milliarden Euro. Damit drohe die Nettokreditaufnahme des Bundes 2009 den bisherigen Schuldenrekord von CSU-Finanzminister Theo Waigel von gut 40 Milliarden Euro deutlich zu übersteigen.

Laut Struck soll das Kabinett voraussichtlich schon in der kommenden Woche über das Paket entscheiden. Bundestag und Bundesrat sollten dann Ende Januar, Anfang Februar, teilweise in Sondersitzungen abstimmen.