Steuer- und Abgabensenkungen, Investitionen, Hilfen für Familien, Zuschüsse zum Autokauf und ein Rettungsschirm mit Kredithilfen für Unternehmen – mit dem größten Konjunkturprogramm der Nachkriegsgeschichte stemmt sich die Bundesregierung gegen die Wirtschaftskrise.

Berlin. Steuer- und Abgabensenkungen, Investitionen, Hilfen für Familien, Zuschüsse zum Autokauf und ein Rettungsschirm mit Kredithilfen für Unternehmen mit dem größten Konjunkturprogramm der Nachkriegsgeschichte stemmt sich die Bundesregierung gegen die Wirtschaftskrise. Die Spitzen von Union und SPD verständigten sich in der Nacht auf ein Paket von rund 50 Milliarden Euro. Damit steuert die große Koalition auf eine Rekordverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik zu.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kündigte an, Deutschland werde die europäische Defizitgrenze von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in diesem Jahr gerade noch einhalten, im kommenden Jahr aber wohl nicht mehr. Künftig will die Koalition die Netto-Kreditaufnahme künftig mit einer verfassungsrechtlich abgesicherten Schuldenbremse eingrenzen. In Zukunft soll im Normalfall gesamtstaatlich eine Verschuldung nur noch in Höhe "von maximal 0,5 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) zulässig sein", hieß es in dem Koaltionsbeschluss.

Die Opposition kritisierte das Paket am Dienstag in ersten Reaktionen als unzureichend. Wirtschaftswissenschaftler erklärten, dieses zweite Konjunkturprogramm sei besser als das erste, werde aber die Rezession nicht verhindern, sondern allenfalls abmildern können.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte nach dem mehr als sechsstündigen Treffen im Kanzleramt, die Maßnahmen sollten Wirtschaft und Beschäftigung in der Krise stabilisieren. Eine Durchschnittsfamilie werde bei Steuern und Abgaben dadurch um 200 Euro im Jahr entlastet. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach von 400 bis 500 Euro und verrechnete darin auch den von seiner Partei durchgesetzten Kinderbonus von einmalig 100 Euro. Insgesamt hat das Konjunkturpaket hat ein Gesamtvolumen von gut 49,25 Milliarden Euro. Davon sollen rund 27,28 Milliarden Euro in diesem Jahr bereitgestellt werden und gut 21,96 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Der Bund stemmt mit 33,55 Milliarden Euro den Großteil der Kosten in diesem und im nächsten Jahr. Auf Länder und Kommunen sollen 2,95 Milliarden Euro entfallen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll insgesamt 3,81 Milliarden Euro beisteuern. Im folgenden die wichtigsten Koalitionsbeschlüsse, die dem Abendblatt vorliegen, und ihre Kosten:

Investitionen: Für Zukunftsinvestitionen in Schulen, Hochschulen, Verkehrswege und Kommunikationsgesetze sollen 17,33 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Davon entfallen 14 Milliarden Euro auf den Bund und weitere 3,33 Milliarden Euro auf Länder und Gemeinden.

Steuern: Geplant ist eine Steuerentlastung in zwei Schritten. Unter anderem ist vorgesehen, den Eingangssteuersatz von 15 auf 14 Prozent zu reduzieren. Der Grundfreibetrag steigt in zwei Schritten um 340 auf 8004 Euro. Dies kostet die Staatskassen insgesamt in diesem Jahr rund 2,89 Milliarden und im nächsten Jahr rund 6,05 Milliarden Euro.

Abgaben: Die Senkung des gerade erst erhöhten Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 15,5 Prozent auf 14,9 Prozent zum 1. Juli 2009 kostet den Bund in diesem Jahr 3,0 Milliarden und im nächsten Jahr 6,0 Milliarden Euro.

Kinderbonus: Der einmalige Kinderbonus von 100 Euro für jedes Kind kostet den Bund rund 1,8 Milliarden Euro.

Kinder/Hartz IV: Die Anhebung des Kinderregelsatzes von 60 auf 70 Prozent zum 1. Juli schlägt in den Staatskassen mit 522 Millionen Euro zu Buche. Der Bund stemmt mit 510 Millionen den Großteil.

Umweltprämie: Der Anreiz von 2500 Euro zum Kauf eines neuen Pkw bei Verschrottung des mindesten neun Jahr alten Alt-Fahrzeugs kostet 2009 rund 1,5 Milliarden Euro.

Autoindustrie: Zur Förderung innovativer Antriebstechnologien werden 500 Millionen Euro bereitgestellt.

Innovation: Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) für den Mittelstand wird aufgestockt um 900 Millionen Euro.

Schutzschirm: Für die geplanten Bundesgarantien von bis zu 100 Milliarden Euro für Unternehmen mit Kreditproblemen stellt der Bund einen "Platzhalter" von zwei Milliarden Euro bereit.

Arbeitsmarkt: Für Weiterbildung und Umschulung werden 1,97 Milliarden Euro bereitgestellt, rund 770 Millionen Euro davon trägt die BA. Das Qualifizierungsprogramm für schlecht ausgebildete Beschäftigte wird um rund 150 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt. 400 Millionen Euro fließen für die Wiedereinstellung von Arbeitnehmern zur Qualifizierung. Die Übernahme der Hälfte der Sozialbeiträge der Arbeitgeber bei Kurzarbeit kostet die BA 2,1 Milliarden Euro. Zur Stabilisierung des Arbeitslosenbeitragssatzes bei 2,8 Prozent gewährt der Bund der BA 2010 ein Darlehen von einer Milliarde Euro. Für 5000 zusätzliche Job-Vermittler sollen 800 Millionen Euro fließen.