Aus der Wirtschaft in die Klassenzimmer? Handelskammertag und Lehrerverbände halten wenig von dem Vorschlag der Bundesbildungsministerin. Sie fürchten, dass das nur eine Notmaßnahme ist, um den Lehrermangel zu kaschieren. Andere sprechen von “Faschingsscherz“.

Berlin. Die Wirtschaft jault auf, die Lehrer schütteln den Kopf: Mit ihrer Idee für den Einsatz von Firmen-Fachleuten als Lehrer in Schulen hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) heftige Kritik ausgelöst. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hält die Forderung für nicht realisierbar. "Der Aufwand für den Einzelnen wäre, neben seiner eigentlichen Arbeit im Betrieb, schnell immens hoch ganz abgesehen davon, dass die Unternehmen kaum auf ihre besten Leute verzichten können", sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".

Dem Lehrermangel müssten "die Länder deshalb vor allem dadurch entgegenwirken, dass sie jungen Leuten attraktive Entwicklungsperspektiven bieten, wenn sie sich für den Lehrerberuf entscheiden", sagte Braun. Es sei jedoch richtig, interessierten Praktikern den Quereinstieg in den Lehrerberuf zu erleichtern. Sinnvoll sei es auch, erfahrene Mitarbeiter aus Betrieben für die Gestaltung einzelner Unterrichtsstunden und Projekte zu gewinnen.

Schavan hatte an die Unternehmen appelliert, ihre besten Mitarbeiter als Lehrer an Schulen zu schicken. "Ich fordere alle Unternehmen auf, ihre Top-Mitarbeiter für den Schulunterricht freizustellen", hatte Schavan der "Bild"-Zeitung gesagt. Als Beispiel nannte Schavan einen Ingenieur, der zwei Stunden wöchentlich Physik- oder Mathematikunterricht geben könnte.

DIHK-Präsident Braun sagte, es wäre unpraktikabel, "Ingenieure oder Naturwissenschaftler aus Betrieben ein Schulfach selbstständig über ein gesamtes Schuljahr hinweg unterrichten zu lassen man denke allein an Stichworte wie Lehrpläne, Klausuren, Elternsprechtage, Korrekturen, Lehrerkonferenzen, etc." Kritik kommt auch aus den Lehrerorganisationen. Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Ludwig Eckinger, sagte der "Berliner Zeitung": "Zunächst habe ich gedacht, es sei ein Faschingsscherz. So etwas ist keine Strategie, sondern höchstens eine Notmaßnahme."

Eckinger befürchtet, dass "Top-Ingenieure als Laien in der Schule ins offene Messer rennen". Denn fachliche Qualifikationen reichten allein nicht aus, um erfolgreich in der Schule zu unterrichten. Außerdem forderte er: Der Einstieg ins Studium müsse viel praxisnäher sein. Die Abitur-Note sage noch nichts über eine wirkliche Eignung für den Lehrerberuf aus.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, verlangte von der Kultusministerkonferenz (KMK) eine verlässliche Statistik über das wirkliche Ausmaß des Lehrermangels. Es müsse zuverlässig erfasst werden, in welchen Regionen und welchen Fächern Pädagogen fehlten, sagte er der "Mittelbayerischen Zeitung". Eine solche Aufstellung verweigere die KMK bislang.