Mit 69 scheint er noch einmal der Partei-Kampagne neuen Drive zu geben. Franz Müntefering tourt durch die Lande und wirbt im Umfragetief für die alten sozialdemokratischen Werte. Ob's hilft?Station des Franz Müntefering in Bildern.

Hamburg. Er hat tatkräftig mitgeholfen, das Rentenalter in Deutschland auf 67 zu heben. Das war ein Aufreger für seine Partei, für die Gewerkschaften und für viele, die sich schon mit Anfang 60 zur Ruhe setzen wollen. Franz Müntefering selbst, eiserner Parteisoldat und jetzt wieder Vorsitzender der SPD, geht mit 69 Jahren in sein schwerstes Gefecht. Wie er hat keiner das Auf und Ab der Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren miterlebt, mitgestaltet und darunter gelitten.

Im Bundestagswahlkampf, der längst begonnen hat, ist Müntefering neben Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier das Gesicht der SPD und das Hirn der Kampagne im Hintergrund. Das ist für den Mann der knappen Sätze die wohl größte Herausforderung in seinem bewegten Politikerleben.

Die Regierung der Großen Koalition aus Union und SPD hat er im November 2007 freiwillig verlassen. Er pflegte seine an Krebs erkrankte Frau Ankepetra bis zu deren Tod im Juli 2008. Und so überraschend wie der Vizekanzler und Merkel-Vertraute in der SPD dem Politikbetrieb in Berlin den Rücken kehrte, so geschwind war er wieder zurück, übernahm vom entmachteten Kurt Beck Partei, die Kampagne.

Und er übernahm die schlechten Umfragewerte. Deshalb tourt er in diesen Tagen quer durch die Republik und ist an diesem Montag auch in Hamburg. Müntefering spürt, dass die SPD die Finanzkrise und die drohende Rezession nutzen muss, um ihr Profil in der Großen Koalition zu stärken und den Wahlkampf im September doch noch erfolgreich abzuschließen.

"Die Menschen wollen nicht, dass wir aus den Parteien uns in einer solchen Zeit das Gesicht zerkratzen", sagt Müntefering zum Ton des Wahlkampfes. Doch er muss die Abteilung Attacke der SPD anführen. Denn Kanzlerkandidat Steinmeier wird es schwer fallen, sich gegen Angela Merkel konturenscharf zu positionieren. Müntefering setzt auf den Klang der alten SPD-Werte: Solidarität statt Ellenbogengesellschaft, Menschlichkeit statt Egoismus und Profitgier, Integration statt Ausgrenzung.

Der Sauerländer Müntefering, ein knochentrockener, mittlerweile fast asketischer Typ, ist oft der Einwechselspieler eines zerrütteten SPD-Teams gewesen. Er wurde 1998 Chef der nordrhein-westfälischen SPD, als Übervater Johannes Rau das Amt niederlegte. Kurz darauf ernannte ihn seine langjähriger Weggefährte Gerhard Schröder zum Bundesverkehrsminister. Zwischenzeitlich sprang Müntefering als kommissarischer Geschäftsführer und Generalsekretär der SPD ein.

Nach der Wahl 2002 übernahm Müntefering den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion, musste aber ab 2004 die Partei führen, als Schröder den SPD-Vorsitz niederlegte. Nur ein Jahr später gab Müntefering das "zweitschönste Amt der Welt nach Papst" auf. Er hatte seinen Kandidaten Kajo Wasserhövel nicht als Generalsekretär durchsetzen können. In die Große Koalition rutschte Müntefering 2005 als Arbeitsminister, weil Gerhard Schröder nicht bereit war, mit Merkel zusammenzuarbeiten.

Müntefering genießt hohe Popularitätswerte in der Bevölkerung. Er war vor Jahren schon der erste Spitzenmann, der die Hedgefonds als "Heuschrecken" bezeichnete, die über notleidende Unternehmen herfallen. Seine biblische Metapher hat Konjunktur in diesen Tagen. Ob sie sich am 27. September in Wählerstimmen niederschlägt, ist allerdings fraglich.