Vor der Abstimmung über das Konjunkturpaket II am Freitag im Bundesrat dringt die FDP weiter auf Änderungen. Im Abendblatt-Interview wirft...

Hamburg. Vor der Abstimmung über das Konjunkturpaket II am Freitag im Bundesrat dringt die FDP weiter auf Änderungen. Im Abendblatt-Interview wirft Generalsekretär Dirk Niebel der Großen Koalition zugleich vor, sich im Fall der Bankenholding Hypo Real Estate am Wirtschaftsstandort Deutschland zu versündigen.


Hamburger Abendblatt:

Die Bundesregierung hat die FDP eindringlich davor gewarnt, das Konjunkturpaket II im Bundesrat zu blockieren. Werden die Liberalen, wie Wirtschaftsminister zu Guttenberg fordert, ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung gerecht?

Dirk Niebel:

Die FDP hat ihre staatsbürgerliche Verantwortung immer wahrgenommen in der Geschichte der Bundesrepublik und wird es auch in diesem Fall tun. Wir werden am Freitag im Bundesrat nicht blockieren.



Abendblatt:

Sie stimmen dem Konjunkturpaket, so wie es vorliegt, zu?

Niebel:

Wir stellen keine Blankoschecks aus. Die FDP will versuchen, mehr Entlastung für Bürger und Betriebe zu erreichen. Aus diesem Grund haben unsere vier Landeswirtschaftsminister im Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses beantragt.



Abendblatt:

Sie ahnten, dass der Antrag abgelehnt wird.

Niebel:

Unsere Forderung, das Konjunkturpaket zu ergänzen, halten wir aufrecht. Wünschenswert wäre, den Eingangssteuersatz auf zwölf Prozent abzusenken. Für notwendig halten wir, den Grundfreibetrag rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf 8004 Euro zu erhöhen. Und zwingend ist, möglichst bald die widersinnige Besteuerung von Kreditzinsen der Betriebe abzuschaffen. Das wollen wir nun auf anderem Wege erreichen.



Abendblatt:

Auf welchem?

Niebel:

Die schwarz-gelb regierten Länder arbeiten an einem Entschließungsantrag, der auf Verbesserungen des Konjunkturpakets in einem nachfolgenden Schritt zielt.



Abendblatt:

Die FDP - als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet.

Niebel:

Das Bild passt nicht. Wir sind doch - nicht anders als die Bundesregierung - für Maßnahmen, die der Konjunktur helfen. Und wir erwarten, dass die Bundesregierung einen Schritt auf uns zu macht - um der Sache willen.



Abendblatt:

An diesem Mittwoch will sich die Bundesregierung auf ein Gesetz verständigen, das die Verstaatlichung von Banken und die Enteignung ihrer Besitzer ermöglicht. Welche Folgen hätte das?

Niebel:

Eine Bundesregierung, die ernsthaft über ein Enteignungsgesetz berät, versündigt sich am Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Botschaft würde doch lauten: Investitionen in Deutschland sind unsicher. Internationale Investoren machen dann einen großen Bogen um uns. Staatliche Beteiligungen können in Krisenzeiten notwendig sein. Enteignungen allerdings sind mit der Sozialen Marktwirtschaft unvereinbar.



Abendblatt:

Sollte sich der Staat, um Arbeitsplätze zu retten, am kriselnden Autobauer Opel beteiligen?

Niebel:

Die Erfahrung lehrt: Der Staat ist nicht nur der schlechtere Banker, sondern auch der schlechtere Unternehmer. Er sollte nicht glauben, dass er der bessere Autobauer wäre.



Abendblatt:

Herr Niebel, die FDP befindet sich im Höhenflug und hat in Umfragen zwischenzeitlich die ominöse Möllemann-Marke von 18 Prozent erreicht. Zahlt sich die One-Man-Show von Guido Westerwelle aus?

Niebel:

Wir waren nie eine One-Man-Show. Allein der Umstand, dass Sie mit mir das Interview führen, beweist ja das Gegenteil. Die Umfragen und unsere jüngsten Wahlerfolge sind der Beleg dafür, dass sich Klarheit, Standhaftigkeit und Glaubwürdigkeit lohnen. Natürlich profitieren wir auch vom schwindenden wirtschaftlichen Sachverstand der Union.



Abendblatt:

Wo landen Sie bei der Bundestagswahl?

Niebel:

2005 waren es 9,8 Prozent. Wir wollen uns noch einmal deutlich verbessern und dem Ergebnis der SPD möglichst nahe kommen.



Abendblatt:

Seit fast elf Jahren ist die FDP in der Opposition. Kommt wirklich nur ein Bündnis mit der Union infrage?

Niebel:

Wir wollen regieren, aber nicht zum Selbstzweck. Wir wollen einen gründlichen Politikwechsel herbeiführen. Die Anliegen der Mittelschicht und die bürgerlichen Freiheitsrechte sind sowohl unter Rot-Grün als auch unter Schwarz-Rot schändlich vernachlässigt worden. Für eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen sehe ich keine ausreichende inhaltliche Übereinstimmung.



Abendblatt:

Westerwelle hat die Union einmal schwarz lackierte Sozialdemokraten genannt - da war von Enteignungsgesetzen noch keine Rede ...

Niebel:

Die Sozialdemokratisierung der Union unter der Kanzlerschaft Angela Merkels ist schon dramatisch. Wir werden regiert von zwei sozialdemokratischen Parteien mit unterschiedlich farbigen Parteibüchern. Für uns Liberale ist völlig klar: Wir werden einen Koalitionsvertrag nur unterschreiben, mit dem eine echte Steuerstrukturreform auf den Weg gebracht wird. Wir hatten 2008 ein gegenfinanziertes Entlastungsvolumen von 35 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die Menschen haben völlig zu Recht das Gefühl, dass die Aufschwungdividende an ihnen vorbeigegangen ist.



Abendblatt:

Ist dafür in der Krise noch Geld da? CDU-Politiker wie Hamburgs Bürgermeister von Beust halten gar nichts davon, den Bürgern Steuersenkungen zu versprechen ...

Niebel:

Ole von Beust erklärt ja auch den reinen Kapitalismus für gescheitert. Dabei übersieht er, dass es zu keinem Zeitpunkt in der bundesrepublikanischen Geschichte reinen Kapitalismus gab. Ole von Beust kehrt sich offenbar ab von den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Das muss einem Sorge bereiten. Und es zeigt, wie negativ der Einfluss des grünen Koalitionspartners auf die CDU hier in Hamburg wirkt.