Die Liberalen haben der Union wegen des von ihr mitgetragenen Beschlusses zur Ausweitung der Mindestlöhne vorgeworfen, die SPD zu kopieren und...

Berlin/Hamburg. Die Liberalen haben der Union wegen des von ihr mitgetragenen Beschlusses zur Ausweitung der Mindestlöhne vorgeworfen, die SPD zu kopieren und bürgerliche Positionen zu räumen. "Offensichtlich machen es sich viele in der Union in der sogenannten Großen Koalition bequem", sagte Generalsekretär Dirk Niebel dem Hamburger Abendblatt nach der Abstimmung. "Frei nach dem Motto: Zweimal 25 Prozent ist auch eine Mehrheit. Der Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger entspricht das aber nicht." Die FDP werde sich weiter für eine "dauerhafte Entlastung der Menschen einsetzen - egal wie stark die Union sich der SPD nun auch bei den Mindestlöhnen angleicht."

Der Bundestag hatte gestern den Weg für Mindestlöhne in weiteren sechs Branchen frei gemacht. Im Parlament stimmte neben der FDP auch die Linke gegen weitere Branchen mit Mindestlöhnen, die Grünen enthielten sich. Mehrere Hunderttausend Beschäftigte in der Altenpflege, im Wachschutz, bei der Müllabfuhr, in Großwäschereien, in der Weiterbildung und in Bergbau-Spezialarbeiten sollen damit vor besonders niedrigen Löhnen geschützt werden.

Ralf Brauksiepe, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, widersprach Niebel: "Der Vorwurf der Sozialdemokratisierung ist neben der Sache", sagte er dem Abendblatt. "Es ist einfach nur vernünftig, die Ansicht zu vertreten, dass anständige Arbeit auch mit einem anständigen Lohn entlohnt wird. Zumal wir die Regelungen doch nur in den Bereichen machen, wo sie ausnahmsweise nötig sind. Es ist weiterhin nicht der Staat, der die Löhne festsetzt." Zehn Abgeordnete der Union hatten gegen die Ausweitung des Entsendegesetzes gestimmt, das jetzt noch den Bundesrat passieren muss, wo die Große Koalition keine Mehrheit hat. Es gilt bisher für Bauarbeiter, Gebäudereiniger und Briefdienstleister.

Da mit diesem Gesetz aber vorrangig Bereiche mit hoher Tarifbindung erreicht werden, änderte der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD auch das Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen. Dadurch kann künftig auch in einer Branche, in der weniger als 50 Prozent der Beschäftigten einem Tarifvertrag unterliegen, ein Mindestarbeitslohn eingeführt werden. Für die Zeitarbeitsbranche hat der Koalitionsausschuss inzwischen ebenfalls das Einziehen einer Lohnuntergrenze vereinbart. Sie werde allerdings im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verankert, sagte Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Künftig würden fast vier Millionen Arbeitnehmer vor Lohndumping geschützt, wenn man die Zeit- oder Leiharbeiter dazurechne, sagte der Minister. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) begrüßte die Aufnahme der Pflegebranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz. "Lohnuntergrenzen geben ein Stück mehr Sicherheit für die Beschäftigten in der Pflege", sagte sie. Außerdem verabschiedet wurde gestern ein neues Mitarbeiterbeteiligungsgesetz, das Arbeitnehmern einen fairen Anteil am Erfolg ihrer Unternehmen ermöglichen soll, etwa durch staatlich geförderte Belegschaftsaktien.