Amtspräsident Heinz Fromm: Der Krieg im Gazastreifen hat die Gefahr in Deutschland zusätzlich vergrößert.

Hamburg. Nach der Veröffentlichung mehrerer islamistischer Drohvideos im Internet hat der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags in Deutschland als außerordentlich hoch beschrieben. "Die Gefahr ist sehr groß, dass in Deutschland ein Terroranschlag durch Islamisten verübt wird", sagte Fromm im Interview des Hamburger Abendblatts. Die jetzt verbreiteten Videos in deutscher Sprache belegten, dass "Anschläge gegen unser Land vorbereitet werden". Seit Jahresbeginn sind - erstmals in dieser Häufung - vier Videos islamistischer Terroristen aufgetaucht, die mit Anschlägen in der Bundesrepublik drohen.

Fromm bezeichnete Überlegungen, dass die Terrororganisation al-Qaida auf die Bundestagswahl im September ziele und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan erzwingen wolle, als naheliegend. Die Erklärungen des deutsch-marokkanischen Islamisten Bekkay Harrach in einem der Videos "deuten in diese Richtung".

2004 hatte al-Qaida vor den Parlamentswahlen in Spanien verheerende Anschläge auf Züge in Madrid verübt, bei denen 190 Menschen getötet wurden. Dies hatte einen Regierungswechsel und einen Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak zur Folge.

Der Krieg im Gazastreifen habe die Anschlagsgefahr in Deutschland zusätzlich vergrößert, warnte Fromm. Die Kampfhandlungen und die Berichterstattung vor allem in arabischen Medien "haben neuen Hass produziert", sagte er. "Unsere Sorge ist, dass Palästinenser und andere Muslime sich zu spontanen Übergriffen in Deutschland veranlasst sehen könnten." Die ohnehin bestehende Gefahr für jüdische Einrichtungen habe sich weiter erhöht.

Wie der Präsident des Inlandsnachrichtendienstes berichtete, ist den Sicherheits-behörden "ein islamistisch-terroristisches Personenpotenzial in Deutschland im hohen dreistelligen Bereich" bekannt. Darunter seien viele eingebürgerte Deutsche und auch Konvertiten. Der Präsident rief die muslimische Gemeinschaft zur Kooperation mit Verfassungsschutz und Polizei auf.

"Ich würde mir wünschen, dass die Muslime ihre Zurückhaltung gegenüber den deutschen Sicherheitsbehörden aufgeben", sagte er. "Wenn auffällt, dass sich junge Leute radikalisieren, sollte das gemeldet werden." Eine für diesen Zweck eingerichtete Hotline des Verfassungsschutzes werde bisher "so gut wie nicht genutzt".

Als besondere Herausforderung für die Sicherheitsbehörden bezeichnete Fromm die Entwicklung der modernen Kommunikationstechnik. "Für eine effektive Aufklärung benötigen wir ein an die technische Entwicklung angepasstes Instrumentarium", betonte er. Die nachrichtendienstliche Überwachung gefährlicher Personen und Gruppierungen müsse auch im Internet möglich sein. Die Online-Durchsuchung von Computern wäre auch für den Verfassungsschutz "ein nützliches Instrument".

Ein Ende des islamistischen Terrorismus sei "nicht absehbar", hob Fromm hervor. Auf die Amtsübernahme von US-Präsident Barack Obama habe es "keine expliziten Reaktionen in Deutschland" gegeben. "Ich glaube nicht, dass wir sehr schnell mit einer Entspannung rechnen können."