Gleiche Rechte für Mann und Frau, mehr Pressefreiheit, Aussöhnung auf Zypern: Die EU erwartet mehr Fortschritte von den Türken.

Brüssel. Die Türkei muss für eine weitere Annäherung an die Europäische Union (EU) nach Auffassung der EU-Kommission ihre Reformen beschleunigen und sich im Streit um Zypern bewegen. Das Land habe zwar Fortschritte bei der Wahrung kultureller Rechte der Kurden und in der Angleichung des Wirtschaftsrechts gemacht. Doch seien Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter oder Gewerkschaftsrechte noch immer nicht gewahrt, heißt es in dem Jahresbericht zu den vor vier Jahren begonnenen Beitrittsverhandlungen. EU-Erweiterungskommissar Ollie Rehn forderte, die Türkei müsse endlich ihre Flughäfen und Häfen für Zyperns griechischen Süden öffnen, der seit 2004 EU-Mitglied ist.

Die EU verhandelt nach einem einstimmigen Beschluss der EU-Mitgliedstaaten mit der Türkei seit 2005 über einen Beitritt. Inzwischen lehnt Frankreich offen die Aufnahme des muslimisch geprägten Landes ab. In Deutschland sind die Unionsparteien gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei und treten stattdessen für eine privilegierte Partnerschaft ein. Der künftige Koalitionspartner FDP ist nicht generell gegen einen EU-Beitritt der Türkei, sieht aber die Voraussetzungen noch nicht erfüllt.

Zypern ist seit dem Einmarsch türkischer Truppen im Jahr 1974 geteilt. Die griechischen Zyprer repräsentieren die Mittelmeerinsel in der EU und wollen die Aufnahme der Türkei in die Staatengemeinschaft so lange blockieren, wie die Insel geteilt bleibt. Rehn sagte, die Grenze in der Hauptstadt Nikosia sei wie die Berliner Mauer. „Ich fühle mich immer zurückversetzt zum Checkpoint Charly – so sollte Europa nicht sein, es sollte friedlich und vereint sein.“

Der Kommissar drängte die Türkei außerdem zur Mäßigung im Konflikt mit dem größten Medienkonzern des Landes, der Dogan-Gruppe. Der Verlag der Tageszeitung „Hürriyet“ wirft der Regierung vor, einen Steuerstreit nur als Strafe für regierungskritische Berichterstattung zu inszenieren. EU-Kommissar Rehn sagte: „Wenn eine Steuerstrafe so hoch ist wie der Jahresumsatz, dann ist das eine ziemlich harte Strafe. Es ist vielleicht gar keine Steuerstrafe, es fühlt sich an wie eine politische Sanktion.“

Dogan hatte sich mit der Regierung und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angelegt. Im Februar schickten die Steuerbehörden einen Strafbefehl über fast 400 Millionen Euro an Dogan. Grund seien Unregelmäßigkeiten beim Verkauf von Anteilen der Gruppe an das deutsche Medienhaus Axel Springer („Bild“, „Die Welt“). Zugleich wurden Aktienverkäufe zwischen Unternehmen der Dogan-Gruppe unter die Lupe genommen. Eine weitere Steuerstrafe lautet nun auf mehr als 1,7 Milliarden Euro.

Medien der Dogan-Gruppe hatten 2008 ausführlich über Korruption in Erdogans islamisch-konservativer AKP berichtet. Sie machten auch einen deutsch-türkischen Spendenskandal im Umfeld der AKP zum Thema und hinterfragten die Rolle eines Sohnes von Erdogan. Der Ministerpräsident rief die Zeitungsleser unter seinen Anhängern vor der Kommunalwahl im März wiederholt zu einem Boykott der Blätter auf.