Auf den Papst warten gewaltige kirchenpolitische Aufgaben. Er will sich dem Kampf gegen die Armut widmen

Rom/Hamburg. Dass der neue Papst auf Erden stark verwurzelt und pflichtbewusst ist, bewies er gleich in den frühen Stunden seines ersten Amtstages. Kaum hatte er in der Marienbasilika Santa Maria Maggiore sein Morgengebet gesprochen, eilte Franziskus in die Via Scrofa bei der Piazza Navona in Rom. Persönlich beglich der wenige Stunden zuvor gewählte Oberhirte der Katholiken in der Casa del Clero die Rechnung und holte seinen Koffer ab. Er habe das getan, um ein "gutes Beispiel" zu geben, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi.

Um die Glückwünsche aus aller Welt, von US-Präsident Barack Obama bis zu Russlands Staatschef Wladimir Putin, schien sich Franziskus nicht groß zu kümmern. Sie trafen mit den üblichen Forderungen an den neuen Papst im Minutentakt im Vatikan ein. Franziskus feierte am Nachmittag seine erste Messe als neues Oberhaupt mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle. Und die nächsten Termine für den Nachfolger des deutschen Papstes Benedikt XVI. stehen schon fest: An diesem Sonntag spricht er sein erstes Angelus-Gebet auf dem Petersplatz, zu dem Tausende Gläubige erwartet werden. Dann hat er bereits das Zimmer bezogen, das Benedikt vor ihm bewohnte. Am kommenden Dienstag wird Franziskus mit einer feierlichen Messe ins Amt eingeführt - und erhält die Insignien der päpstlichen Macht, so das Pallium, eine Art Stola, und den Fischerring.

Auf den neuen Pontifex warten gewaltige Aufgaben. Die katholische Kirche leidet nach Ansicht von Kritikern unter einem Reformstau. Zu seinem Vorgänger Benedikt, der am 28. Februar aus Altersgründen zurückgetreten war, sucht der Argentinier offensichtlich engen Kontakt. Er will Benedikt bald treffen, aber noch nicht in den nächsten Tagen, wie Vatikansprecher Lombardi sagte. Nach seiner Wahl am Mittwochabend hatte der neue Papst den zurückgetretenen angerufen.

Nach Einschätzung des Freiburger Kirchenexperten Ulrich Ruh kann sich Bergoglio als Erneuerer der katholischen Kirche erweisen. "Er steht für eine sozial engagierte und sensible Kirche", sagte der Chefredakteur der renommierten theologischen Fachzeitschrift "Herder Korrespondenz". Der Erzbischof von München-Freising, Kardinal Reinhard Marx, erwartet vom neuen Papst die eine oder andere Überraschung. "Es ist ein anderer Stil, eine andere Art und Weise, das Evangelium noch einmal ganz frisch und neu den Menschen nahezubringen. Und das wird man schon spüren", sagte Marx, einer der sechs deutschen Papstwähler.

Andere Religionsgemeinschaften äußerten die Hoffnung auf eine Fortsetzung und Verbesserung der interreligiösen Zusammenarbeit. "Wir hoffen auf fruchtbare Dialoge und weitere Impulse", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek. Der Jüdische Weltkongress in New York hofft, die "engen Beziehungen weiterzuführen", ebenso äußerte sich der Zentralrat der Juden in Deutschland. Kritische Laieninitiativen in Deutschland erwarten vom Papst mehr Dialog und Reformen etwa bei der Sexualmoral der katholischen Kirche. Wer Katholiken in Deutschland nach ihren Erwartungen an den neuen Papst fragt, bekommt oft zu hören: Er soll Frauen zum Priesteramt zulassen, das Heiratsverbot für Priester abschaffen und gemeinsame Eucharistiefeiern mit Protestanten erlauben. Auch eine liberale Sexualmoral wird gefordert.

Doch all diese Reformthemen sind für Jorge Mario Bergoglio nicht vordringlich. Er hat andere Prioritäten. "Der neue Papst wird sich den Problemen nicht verstellen können", meint der Freiburger Theologe Magnus Striet, warnt aber auch vor falschen Erwartungen: Franziskus sei kein "Liberaler". Seine Stimme erhob Bergoglio als Erzbischof in Argentinien vor allem für die Armen, für soziale Gerechtigkeit und gegen politische Korruption.

Doch schon das ist ein Aufbruch, eine Kurskorrektur der Kirche. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten die lateinamerikanische Befreiungstheologie zurückgedrängt, die mit Partei ergriff gegen Machthaber und Großgrundbesitzer. Dem Vatikan war das zu marxistisch, zu aufrührerisch. Er maßregelte führende Befreiungstheologen wie den Brasilianer Leonardo Boff, dem 1985 ein Rede- und Lehrverbot erteilt wurde. Franziskus ist zwar kein Befreiungstheologe, geht aber den Weg nach außen, ins sozialethische Engagement. Erwartet wird, dass der neue Papst den Verwaltungsapparat in Rom und die Vatikanbank reformieren wird.

Einen Bezug zu Deutschland hat Franziskus auch: In den 1980er-Jahren verbrachte er einige Monate an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Er habe dort aber weder studiert noch promoviert, so die Hochschule.

Die Papstwahl hat ARD und ZDF einen großen Zuschauerstrom beschert. Dabei hatte das ZDF entgegen sonstiger Erfahrungen mit Parallelsendungen die Nase vorn. Die ZDF-Sondersendung vom großen Ereignis aus Rom schauten im Schnitt 6,32 Millionen Zuschauer (Marktanteil 20,7 Prozent), in der ARD waren es zur gleichen Zeit 4,19 Millionen Zuschauer (13,8 Prozent). Die Spitzenwerte für das ZDF lagen bei gut acht Millionen Zuschauern.