„Weiße Karte“ gehört der Vergangenheit an. Kubaner müssen aber in den meisten Ländern der Welt ein Einreisvisum beantragen.

Havanna. Kuba erleichtert seinen Bürgern seit Montag ohne bürokratische Hürden das Reisen. Auch nach der Abschaffung des Ausreisevisums, der sogenannten „weißen Karte“, dürfte die Zahl der Auslandsreisen aus Sicht von Beobachtern jedoch zumindest vorerst nur geringfügig ansteigen. So müssen Kubaner auch weiterhin in den meisten Ländern der Welt ein Einreisevisum beantragen.

Zudem beinhaltet das vor drei Monaten angekündigte Gesetz eine Klausel für nationale Sicherheit, mit der Dissidenten, Facharbeiter und Inhaber sensibler Informationen an einer Ausreise gehindert werden könnten. Dennoch erhoffen sich viele Kubaner durch die Reform eine Öffnung ihres Landes und einen Blick über den Tellerrand. So freut sich die 16-jährige Ana Liliam Garcia vor allem darauf, ihre Verwandten in Florida zu treffen. „Meine Cousinen und Onkel sind alle in Miami“, sagte die Jugendliche mit leuchtenden Augen. „Ich würde auch gerne das Disneyland in den USA sehen.“

Bisher mussten ihre Landsleute für Reisen ins Ausland eine Genehmigung der Regierung beantragen und eine schriftliche Einladung aus dem Zielland vorweisen. Jugendliche wie Garcia hätten nur ausreisen dürfen, wenn sie ihrer Heimat dauerhaft den Rücken kehren wollten.

Auch Aufenthaltslimit im Ausland verlängert

Zugleich verlängerte die Regierung die erlaubte Aufenthaltsdauer im Ausland auf 24 Monate, wobei die Frist auch verlängert werden kann. Bisher drohte Kubanern nach elf Monaten außer Landes der Verlust der Aufenthaltserlaubnis sowie weiterer Rechte wie zum Beispiel auf soziale Absicherung, unentgeltliche Gesundheitsversorgung und Ausbildung. Damit wird ein von vielen Reisewilligen gefürchtetes bürokratisches Prozedere abgeschafft, das oftmals vor der Antragstellung zurückschrecken ließ.

Nun ist das Thema Auswanderung in Kuba und bei den Anrainerstaaten jedoch ein politisch stark aufgeladenes Thema. Die USA gestatten so gut wie allen Kubanern zu bleiben, die das US-Territorium erreichen. 20.000 Visa stellen sie ihnen jährlich aus.

Der Wegfall der „weißen Karte“ dürfte auch Konsequenzen für die US-Politik im Umgang mit Neuankömmlingen aus Kuba haben. Noch sei nicht abzusehen, ob die neue Reisegelegung zu einer Veränderung der Migrationsbewegungen aus Kuba führen werde, sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Freitag.

„Werde ich gehen dürfen?“

Unklar ist auch, wie streng die Klausel die nationale Sicherheit betreffend ausgelegt werden wird. In der Vergangenheit hatte der Karibikstaat Kritikern die Ausreisegenehmigung bei einigen Anlässen verweigert. Die bekannte Bloggerin Yoani Sánchez etwa berichtete, ihre Anträge seien in den vergangenen fünf Jahren mindestens 19 Mal abgelehnt worden. „Mein Koffer ist gepackt – für eine Reise mit Rückflugticket. Werde ich gehen dürfen?“, fragte sie erst kürzlich über Twitter.

Auch andere Dissidenten sind skeptisch. „Ich glaube, das Migrationsgesetz ist ein Weg, um vor den Augen der internationalen Gemeinschaft die Illusion einer Öffnung aufrecht zu erhalten, damit Kuba nicht so kritisiert wird“, sagte der Oppositionelle und Inhaber des Sacharow-Menschenrechtspreises, Guillermo Farinas.

Einige Experten blicken jedoch mit weitaus mehr Optimismus auf die Reiseerleichterungen. Das neue Reisegesetz sei Anreiz für weitere politische und wirtschaftliche Reformen, sagt der kubanischstämmige Ökonom Arturo Lopez-Levy von der Universität Denver. „Das Recht auf Reisen ist ein Multiplikator der Rechte.“