Keiner weiß, wer das Land nach dem 10. Januar führen wird. Chávez kämpft auf Kuba gegen eine lebensbedrohliche Krebserkrankung.

Caracas. Wenn am Donnerstag Zehntausende Chavistas in roten Hemden und mit Fahnen vor den Präsidentenpalast Miraflores in Caracas ziehen, wird die Hauptperson fehlen: Comandante Hugo Chávez. Denn in Venezuela glaubt keiner, dass der 58-Jährige das Krankenbett in Havanna verlassen kann, um doch noch den Amtseid für sein neues Mandat abzulegen. Nach der vierten Krebsoperation in Kuba und ernsten Komplikationen bangt die Mehrheit der Venezolaner vielmehr um das Leben des „Vaters der Nation“. Wie es ihm wirklich geht, wissen wohl nur die Ärzte.

Seit dem chirurgischen Eingriff am 11. Dezember veröffentlichte die Regierung über zwei Dutzend offizielle Erklärungen zum Krankheitsverlauf des seit 1999 regierenden Chávez. Erst am Montag versicherte Informationsminister Ernesto Villegas in einer im Fernsehen verlesenen Mitteilung, der Gesundheitszustand sei stabil. Die Behandlung in Havanna werde „strikt und dauerhaft“ angewandt und Chávez spreche darauf an. Die Regierung stehe in stetem Kontakt mit den Ärzten in Kuba. Doch die Sorge bleibt. Denn Chávez wurde seit Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Auch an der sonst regen Twitter-Front „@chavezcandanga“ herrscht seit 1. November 2012 Schweigen.

Chávez hatte die Präsidentschaftswahl am 7. Oktober klar gewonnen. Er sollte am Donnerstag vor dem Parlament vereidigt werden. Sollte er permanent nicht in der Lage sein, das Amt auszuüben, müssen binnen 30 Tagen Neuwahlen ausgerufen werden. Davon hält das derzeit de facto regierende Duo aus Vize-Präsident Nicolás Maduro und Parlamentspräsident Diosdado Cabello wenig. Ebenso wie Generalstaatsanwältin Cilia Flores: Der 10. Januar sei nur eine Formalität, sagen sie. „Das entscheidende Datum war der 7. Oktober, an dem das Volk sprach, und nicht der 10. Januar.“

Das allerdings sieht die katholische Kirche im Land anders. Die venezolanische Bischofskonferenz (CEV) mahnte, die Verfassung zu respektieren. „Die Verfassung sagt klar in Wort und Geist, dass an diesem 10. Januar ein Mandat des derzeitigen Präsidenten abläuft und ein anderes beginnt, für das er wiedergewählt wurde“, erinnerte CEV- Präsident Monsignore Diego Padrón. „Es ist moralisch inakzeptabel, die Verfassung zu ändern, um ein politisches Ziel zu erreichen.“

Parlamentspräsident Cabello wies die Äußerungen mit dem Hinweis zurück, die Regierung habe die Verfassung stets verteidigt. Für Donnerstag kündigte er eine Großdemonstration an. „Alle Venezolaner sollen nach Caracas vor den Palacio de Miraflores kommen, um dem Präsidenten und Kommandanten Chávez auf den Straßen auf überzeugende Weise zu unterstützen.“

Und die Opposition? Einige der Chávez-Gegner riefen für Donnerstag zum Streik auf. Zudem pocht das Oppositionsbündnis „Mesa de la Unidad“ auf mehr Informationen über den Zustand des Präsidenten. Auch Weichenstellungen für mögliche Neuwahlen werden diskutiert. Der Oppositionspolitiker und Ex-Chávez-Herausforderer Henrique Capriles twitterte: „Die Realität ist, dass wir eine Regierung haben, die nicht regiert und völlig gelähmt ist.“

Ob Neuwahlen für die Opposition aber von Vorteil wären, darf bezweifelt werden. Sie verlor mit ihrem Einheitskandidaten Capriles nicht nur die Präsidentschaftswahl am 7. Oktober. Auch bei den Gouverneurswahlen am 16. Dezember erlitt sie eine herbe Schlappe. In beiden Fällen wählte Venezuela klar und deutlich rot, ganz nach dem Chávez-Motto „Socialismo o Muerte“ (Sozialismus oder Tod).