Der Zustand des an Krebs erkrankten venezolanischen Präsidenten hat sich weiter verschlechtert. Neue Amtszeit unwahrscheinlich.

Caracas/Buenos Aires. Es ist ein politischer Abschied auf Raten. Schritt für Schritt werden die Venezolaner auf das politische Aus ihres krebskranken Staatschefs Hugo Chávez vorbereitet. Am 10. Januar müsste der 58-Jährige vor dem Parlament für eine neue Amtszeit vereidigt werden. Eine schwere Lungenentzündung und eine langwierige Behandlung in Kuba lassen dies zunehmend als unwahrscheinlich erscheinen. Der mögliche Nachfolger bringt sich bereits in Position: Chávez’ Stellvertreter, Vizepräsident und Außenminister Nicolás Maduro, wird immer mehr zum neuen Antlitz der „Bolivarischen Revolution“, seitdem der sonst so medienbewusste Chávez schweigt.

Ein venezolanischer Diplomat in einer lateinamerikanischen Hauptstadt sagt, in Caracas habe man bereits eingesehen, dass Chávez nicht mehr die Macht übernehmen werde. Noch vor wenigen Tagen drehte sich in Venezuela die Debatte um die Frage, ob die Amtsübernahme anstatt vor dem Parlament vor dem Obersten Gerichtshof oder eventuell in der venezolanischen Botschaft in Havanna stattfinden könne. Eine weitere Alternative, die diskutiert wurde: Verschiebung der Amtseinführung auf einen späteren Termin.

Im Regierungslager hat es bislang nur Chávez gewagt, offen über ein Szenarium nach seinem Ausscheiden zu sprechen. „Wenn irgendetwas geschehen sollte, was mich unfähig zur Amtsführung macht, ist es meine Meinung, dass ihr (das venezolanische Volk) Nicolás Maduro zum neuen Präsidenten wählen sollt“, erklärte er Anfang Dezember während seines letzten öffentlichen Auftritts vor seiner Abreise zur vierten Krebsoperation in Kuba.

Einen Monat später gibt es erste Anzeichen für einen Übergang. Jahrelang stand Außenminister Maduro im Schatten von Chávez. Am Dienstag sprach der 50-Jährige in Havanna eine Stunde lang mit dem von Venezuela finanzierten Fernsehsender Telesur. Der ehemalige Busfahrer und Gewerkschafter redete als erster Politiker über den Gesundheitszustands des Präsidenten. Zwei Tage später trat er in Caracas an der Seite des Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello auf, dem eine Rivalität mit Maduro um Chávez’ politisches Erbe nachgesagt wird. Beide dementierten das vor den Kameras.

Am Sonnabend wird das Parlament aller Voraussicht nach Cabello als Vorsitzenden für die nächste Legislaturperiode bestätigen. Das Amt ist von Bedeutung: Sollte Chávez nicht in der Lage sein, am 10. Januar für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren vereidigt zu werden, übernimmt Cabello die Amtsgeschäfte bis zu den Neuwahlen. Diese müssen binnen dreißig Tagen abgehalten werden.

Maduro würde als Präsidentschaftskandidat wahrscheinlich gegen den Oppositionsführer Henrique Capriles antreten, der im Oktober von Chávez klar geschlagen wurde. Der Opposition fehlt es an einem klaren Programm und der notwendigen Einheit, um bei Neuwahlen einen Sieg zu erringen. Ein Machtwechsel ist in Venezuela nicht zu erwarten. Allenfalls könnte im Fall eines Wahlsiegs von Maduro die Rivalität mit Parlamentspräsident Cabello offen zutage treten.

Maduro hat die Venezolaner auf einen Machtwechsel eingestimmt. In Havanna sprach er mit Chávez. Die Behandlung der aufgetretenen Komplikationen seines Gesundheitszustands sei „nicht frei von Risiken“, räumte er ein. Die Neujahrsfeiern in Caracas wurden durch Gebete ersetzt. Am späten Donnerstagabend teilte Informationsminister Ernesto Villegas im Rundfunk und Fernsehen mit, Chávez leide an Atemnot wegen der Komplikationen, die in Folge einer „schweren Lungenentzündung“ aufgetreten seien. Der Minister erklärte, er spreche im Auftrag von Vizepräsident Maduro. Die Handlung verlegt sich damit von Havanna nach Caracas, von Chávez auf Maduro.