Kampf zwischen Israel und dem Gazastreifen vorerst beendet. Waffenruhe hält soweit. Menschen in der Enklave warten auf Ende der Blockade.

Gaza/Tel Aviv/Kairo. Die Waffenruhe in Nahost hat Bestand: Israel und die radikal-islamische Hamas stellten alle Kampfhandlungen in und um den Gazastreifen ein. Weder in dem Gebiet am Mittelmeer noch in Israel hatte es bis zum frühen Donnerstagabend Verstöße gegen die am Vorabend in Kraft getretene Vereinbarung gegeben, wie Sprecher in Gaza-Stadt und Jerusalem übereinstimmend mitteilten. Israel hat damit nach den Worten von Regierungschef Benjamin Netanjahu seine Ziele erreicht. Auch die Hamas feierte die Waffenruhe als großen Sieg, verlangt nun aber ein Ende der israelischen Blockade. Sehr eilig schien es die Regierung in Jerusalem damit aber nicht zu haben.

Im Gazastreifen kehrte am Donnerstag vielerorts der Alltag ein. Die Hamas erklärte den 22. November zum Nationalfeiertag. „Wir haben dem zionistischen Feind eine Lektion erteilt“, sagte der Chef der Hamas-Regierung, Ismail Hanija. Nun müsse Israel endlich die Grenzen öffnen, um den Palästinensern im Gazastreifen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Die von Ägypten vermittelte Übereinkunft sieht vor, dass beide Seiten ihre Angriffe beenden. Israel verpflichtet sich, Vorstöße sowie Angriffe aus der Luft, vom Boden und vom Meer aus zu unterlassen. Die militanten Palästinensergruppen müssen ihrerseits laut der Vereinbarung Angriffe mit Raketen und an der Grenze beenden. Die Grenzübergänge zum Gazastreifen sollten geöffnet und der Verkehr von Personen und Waren erleichtert werden, stand zudem in einem Papier, das vom ägyptischen Außenministerium in Kairo bei der Ankündigung der Waffenruhe am Vorabend verteilt worden war.

Allerdings war dazu von offizieller Seite in Israel keine Präzisierung zu erhalten. Das Dokument sei von Israel nicht unterzeichnet worden, berichteten israelische Medien. Zudem ließ das Dokument offen, welche Übergänge gemeint sind: Rafah nach Ägypten oder auch die Übergänge nach Israel. Offen waren die zum Teil auch schon vor und sogar während der Kämpfe. Kerem Schalom im Süden für Warenlieferungen in den Gazastreifen und der Erez-Kontrollpunkt im Norden für Diplomaten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Journalisten sowie wenige palästinensische Geschäftsleute und humanitäre Fälle. Ein Ende der Seeblockade sei nicht vorgesehen, berichteten Medien. Auch hier von offizieller Seite zunächst nur Schweigen.

Die arabischen Staaten drangen auf ein sofortiges Ende der Blockade. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, betonte in Kairo: „Es ist wichtig, dass nun auch der Artikel der Vereinbarung umgesetzt wird, in dem es um die Aufhebung der Gaza-Blockade geht.“ Der Moment sei auch günstig, um den Nahost-Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. In Israel gab es jedoch keine Anzeichen für eine solche Entwicklung.

„Ein erster Schritt ist getan“, begrüßte Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Waffenruhe. „Weitere müssen folgen, damit in einer weiter angespannten Situation nun ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht werden kann.“ Dazu müssten die Menschen im Gazastreifen auch eine „echte Lebensperspektive“ bekommen.

Zur Unterstützung der Waffenruhe im Gazastreifen werde Deutschland seine Hilfe für die dortige Bevölkerung um weitere 1,5 Millionen Euro aufstocken. Das Geld soll zur medizinischen Notversorgung verwendet werden. Insgesamt summiert sich die humanitäre Hilfe aus Deutschland damit auf 7,3 Millionen Euro.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan lobte die Rolle Ägyptens bei der Vermittlung der Waffenruhe. „Wir wollen, dass diese Waffenruhe andauert“, sagte Erdogan am Rande eines Gipfels in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Israel warf er in der Gaza-Krise einen „Angriff auf die Menschlichkeit“ vor.

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bezeichnete die Waffenruhe als einen Sieg des palästinensischen Widerstands. „Ein kleiner Ort wie Gaza hat sich gegen die Zionisten gestellt und gesiegt“, sagte Ahmadinedschad nach Angaben der Agentur Fars. Der Iran unterstützt die Hamas und hat der Organisation nach Angaben der Revolutionsgarden auch Technologie zum Bau der iranischen Rakete Fadschr-5 geliefert.

Seit Mittwoch vergangener Woche waren im Gaza-Konflikt nach neuen Angaben 164 Palästinenser und 6 Israelis getötet worden. Auf palästinensischer Seite wurden nach diesen Angaben 1225 Menschen verletzt, in Israel mehr als 100. Insgesamt wurden mehr als 1500 Raketen auf Israel abgefeuert; Israels Luftwaffe griff etwa 1500 Ziele im Gazastreifen an und zerstörte Waffen und wichtige Einrichtungen der Hamas. Nach den Worten von Verteidigungsminister Ehud Barak hat Israel in dem Konflikt „alle Ziele erreicht“.

Hamas-Mitglied nach Bombenanschlag auf Bus in Tel Aviv festgenommen

Unterdessen haben die israelischen Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben den Täter eines Bombenanschlags auf einen Stadtbus in Tel Aviv festgenommen. Es handele sich um einen Palästinenser aus der israelischen Stadt Taibe, teilte die Sprecherin der Streitkräfte, Avital Leibovich, am Donnerstagabend über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der Mann sei Mitglied der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Hamas. Bei dem Anschlag im Zentrum von Tel Aviv waren am Vortag mindestens 17 Menschen verletzt worden.

Die Zeitung „Jediot Achronot“ berichtete, im Zusammenhang mit dem Anschlag seien im Westjordanland noch weitere Verdächtige festgenommen worden, die zur selben Hamas-Zelle wie der Haupttäter gehörten. Die Festnahmen seien schon am Mittwoch erfolgt, aber aus ermittlungstaktischen Gründen erst später mitgeteilt worden.

Der Anschlag war nur Stunden vor dem Inkrafttreten einer Waffenruhe zur Beendigung achttägiger Kämpfe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen verübt worden. Die Palästinenser-Organisation hatte den Anschlag zwar begrüßt, sich aber nicht zu ihm bekannt.